Kennen Sie Jack Johnson, den schwarzen Boxer, den der damalige Präsident Trump 2018 begnadigt hat? Er fügte sich nie in die Rolle als Opfer, die die Gesellschaft ihm aufbürden wollte. Johnson war verurteilt worden, weil er eine weiße Frau aus unmoralischen Gründen über eine Staatsgrenze gebracht hatte. Das ist nach dem Mann Act illegal. Johnson dominierte über Jahre das Schwergewichtsboxen und war über 10 Jahre lang unbesiegt. Johnson gilt als einer der einflussreichsten Boxer der Geschichte und das, obwohl er in einer Zeit von massivem Rassismus aufwuchs.

Von 1878 lebte er bis zu seinem Tod bei einem Autounfall 1946. Er war mit einer weißen Frau verheiratet und besaß ein Restaurant und einen Nachtclub und verdiente ein Vermögen durch Werbung.

Ich denke, wir können uns schnell einigen, dass es Anfang des 20ten Jahrhunderts mehr Rassismus in den Vereinigten Staaten gab als 120 Jahre später. Das N-Wort war nicht verpönt und bedeutete die öffentliche Untragbarkeit für jeden Weißen, der es benutzte. Es war die normale Bezeichnung für Afroamerikaner zu dieser Zeit. Man kann Johnson sicher so Manches vorwerfen, aber sicher keine Opfermentalität. Er zählt, nicht nur wegen seiner Erfolge im Boxen, sondern auch wegen seiner unbeugsamen Persönlichkeit nicht nur zu meinen Vorbildern, sondern war auch das Vorbild für Muhammed Ali. Ein weiterer Schwarzer, der sich weigerte, sich in die Opferrolle einzufügen.

Leider ist diese Mentalität im aktuellen Zeitgeist am Aussterben. Stattdessen wird von vielen Angehörigen unterschiedlicher Minderheiten der Opferstatus eingefordert und gepflegt. Es werden veraltetete Konzepte wie Sippenhaft bemüht, um Reparationen für die Sklaverei von Schwarzen zu fordern. Selbst in Deutschland wird immer häufiger unsere Schuld durch den Kolonialismus betont. Rein geschichtlich muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass von allen Kolonialmächten, die in Afrika tätig waren, die Deutschen eher geringen Einfluss hatten.

Auch heute noch Opfer von rassistischen Vorurteilen

Jeder, der sich im Ansatz mit Selbstverbesserung auseinandergesetzt hat, weiß, dass einer der entscheidenden Faktoren das Selbstbild und Selbstvertrauen ist. Durch die ständige Betonung der eigenen Hilflosigkeit und Opferrolle verhindert man durchaus effektiv eine positive Entwicklung. Bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch. Bezogen auf Abstammung und Rasse, oder allgemein Herkunft, existieren tatsächliche Nachteile. Mehrere Untersuchungen haben erwiesen, dass Mitbürger in Deutschland z.B. weniger häufig zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, wenn sie über einen arabisch oder türkischen Namen verfügen. Es gibt aber auch andere Vornamen, die zu einer Ungleichbehandlung führen, siehe Kevinismus.

Es gibt durchaus Erklärungen für dieses Verhalten. Dabei ist aber zu beachten, dass es Erklärungen sind, keine Rechtfertigungen. Die Erklärung, warum jemand ein Verbrechen begangen hat, ist ja auch keine Entlastung, sondern ist als Motiv teil der Beweisführung. Sieht man sich die Leistungen der Schüler mit Migrationshintergrund in den PISA oder arabische Länder in der TIMSS Studie an, wird es verständlicher, woher das Vorurteil kommt. Ob es bei Kevin oder Chantal ähnlich aussieht, entzieht sich meiner Kenntnis.

Markus Aurelius und die Stoa

Auch kein Opfer Markus Aurelius

Vielen ist sicher der Film Gladiator aus dem Jahr 2000 von Ridley Scott bekannt. In einer der ersten Szenen wird Markus Aurelius von seinem Sohn ermordet. Was weit weniger wissen dürfte, ist das besagter Markus Aurelius, eines der einflussreicheren Bücher der Philosophie geschrieben hat, die Metamorphosen. Dabei handelt es sich weniger um ein wirkliches Buch. Die Metamorphosen sind das Tagebuch des römischen Kaisers, in dem er sich mit der Entwicklung seiner Persönlichkeit beschäftigt. Er war Anhänger einer alten Philosophie, der Stoa.

Die Stoa, oder bekannter, der Stoizismus, strebt ein tugendhaftes Leben an. Vereinfacht gesagt empfiehlt der Stoizismus, sich auf das zu konzentrieren, was im eigenen Einflussbereich liegt. Der Spruch „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, dass eine vom anderen zu unterscheiden.“ trifft den Kern des Stoizismus ganz gut. Die Tugenden dieser Philosophie sind Mut, Bescheidenheit, Gerechtigkeit und Weisheit. Viele moderne Therapien und Ansätze zur Selbstverbesserung beruhen auf den Ideen der Stoa.

Was hat das jetzt nun wieder mit der Opfermentalität zu tun, werden Sie jetzt berechtigterweise fragen. Ich antworte mit einem anderen Zitat, diesmal von J.R.R. Tolkien: “I wish it need not have happened in my time,“ said Frodo. „So do I,“ said Gandalf, „and so do all who live to see such times. But that is not for them to decide. All we have to decide is what to do with the time that is given us.”

„Ich wünschte, es hätte nicht zu meiner Zeit geschehen müssen“, sagte Frodo. „Das wünsche ich mir auch“, sagte Gandalf, „und das wünschen sich alle, die solche Zeiten erleben. Aber es ist nicht an ihnen, das zu entscheiden. Wir müssen nur entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist.“

Sinngemäß schreibt Tolkien hier, dass wir uns die Zeit, in der wir leben, nicht aussuchen können, wir können nur versuchen, das Beste daraus zu machen. Das ist auch Inhalt der Stoa. Vieles, was unser Leben beeinflusst, können wir nicht ändern. Das Wetter, als einfaches Beispiel, oder die Reaktion von anderen Menschen auf uns. Eine falsche Interpretation der Stoa ist, dass wir diese Dinge sprichwörtlich stoisch durchstehen sollten. Darum geht es aber nicht. Wir sollten versuchen, unser Verhalten oder unsere Einstellung bezüglich dieser Dinge zu verändern. Das, was wir am besten in unserem Leben beeinflussen können, sind wir selbst.

Die Alternative zur Opfermentalität

Um hier wieder ein Missverständnis zu vermeiden, möchte ich klarstellen, dass ich überzeugt davon bin, dass einem als Schwarzer heute in Ländern wie den USA oder Deutschland immer noch Rassismus begegnet. Und dieser Rassismus hat auch einen wahrnehmbaren Nachteil für reale Menschen. Aber ich bin auch überzeugt davon, dass jeder Mensch mit Nachteilen zu kämpfen hat, die er nicht verändern kann. Wir haben nun die Wahl, wie wir damit umgehen. Finden wir uns mit der Opferrolle ab, in die uns der Zeitgeist zwingen will, oder werden wir zu einem Jack Johnson? Suchen wir im Geist in jedem Moment und in jedem Satz die Diskriminierung oder werden wir zu Menschen, die ihren Charakter entwickeln und sich selbst im Griff haben?

Ein weiter Anhänger der Stoa, Epitetk, formulierte es so: „Jede Person, die dich verärgern kann, wird dein Meister“ und Bruce Lee, ein weiterer Kampfkünstler, formulierte es so: „Bete nicht um ein einfaches Leben, bete um die Kraft ein hartes Leben zu ertragen“. Wir sollten weiter daran arbeiten, Vorurteile abzubauen und besser mit den Unterschieden anderer leben zu können. Wichtiger ist aber für jeden Menschen der Fokus auf die eigene Selbstverbesserung und nicht auf die Stellen, an denen ich noch Opfer bin. Denn wer diese Sucht, wird sie immer finden, auch wenn sie vielleicht gar nicht da sind.