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Freier Wille, aber frei von was bitte?

Wie ich sicher an der ein oder anderen Stelle schon einmal erwähnt habe, begeistern mich Geschichten in den unterschiedlichsten Medien. Eine Geschichte, die keinen kleinen Einfluss auf mein Leben hatte, wird in dem Spiel Bioshock erzählt. Der Protagonist stürzt mit dem Flugzeug über dem Atlantik ab und überlebt. Im Meer schwimmend sieht er einen Leuchtturm, in dem ein Aufzug ihn in eine seltsame, post kataklysmische Unterwasserwelt führt. Von einem Unbekannten wird er über Funk durch diese Welt geleitet. Die entscheidende Wendung der Geschichte ist, dass man von der Person über Funk manipuliert wurde. Mit einem verborgenen Code wurden die Handlungen bestimmt. Der Protagonist hatte keine andere Wahl, als so zu handeln. Er hatte keinen freien Willen.

Freier Wille vs Determinismus

Damit wären wir auch schon bei dem Konzept, dem ich mich in diesem Artikel etwas genauer nähern wollte: dem freien Willen. Ich möchte mich diesem Thema auf praktischer und weniger auf hoch philosophischer Ebene nähern. Die Frage, ob es ihn nun gibt oder nicht, den freien Willen, treibt die Philosophie schon lange um. Eine endgültige Antwort hätte einen tatsächlichen Einfluss auf unseren Alltag. Die Alternative zum freien Willen nennt man Determinismus und sie beschreibt, dass wir nicht über unser Handeln bestimmen können, sondern all unsere Handlungen vorherbestimmt sind und wir uns nicht anders entscheiden können.

Der Determinismus folgt aus der wissenschaftlichen Betrachtung der Natur. Wir beobachten, dass in der Natur nicht passiert, ohne dass es dafür einen Auslöser gibt. Speziell unter stark wissenschaftlich geprägten Personen ist die Anschauung verbreitet, dass sich dieses Prinzip des Determinismus auch auf menschliche Handlungen bezieht. Grund für unser Handeln ist also nicht unser Wille, sondern ein von uns unabhängiger Auslöser.

In einem Interview mit dem berühmten Biologen Richard Dawkins stellte ihm einer der beiden Moderatoren, Konstantin Kisin, die Frage, ob es nicht seltsam sei, dass wir bei unserem zeitgenössisch stark wissenschaftlich geprägten Weltbild, welches den freien Willen scheinbar widerlegt, unser alltägliches Leben so gestalten, als hätten wir ihn doch, den freien Willen. Also wir leben entgegen den scheinbaren Erkenntnissen unserer Weltanschauung.

Dawkins antwortet sehr respektabel darauf mit, ich weiß es nicht. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass eine solche Antwort, Dawkins führt das natürlich noch weiter aus und geht auf ein paar Punkte ein, an denen man mit seinen Nachforschungen ansetzen könnte, also die Antwort, ich weiß es nicht, immer Respekt verdient. Sie zeugt von Selbsterkenntnis und Selbstsicherheit.

Wie frei darf der Will sein?

Persönlich habe ich so meine Probleme mit der Frage, ob es einen freien Willen gibt. Betrachtet man diese Frage genauer, so fällt vor allem das Wort frei ins Auge. Wovon sollte der Wille frei sein? Im Ursprung von einem äußeren Zwang natürlich. Denkt man genauer darüber nach, sind wir uns schnell einig, dass der Wille nicht frei ist und es auch nicht sein sollte, zumindest nicht im eigentlichen Sinn.

Keiner wünscht sich einen Willen, der frei ist von den eigenen Präferenzen, der eigenen Vergangenheit, dem Temperament und den akzeptierten und für positiv empfundenen Restriktionen. Ein solcher Wille wäre der reine Zufall und kann nicht im Sinne des Anwenders sein. Uns ist klar, dass ein freier Wille immer noch der eigenen Vergangenheit und der eignen Person unterliegt. Mein Wille ist nicht so frei, und soll es auch nicht sein, dass ich auf einmal, grundlos etwas will, dass ich soeben noch nicht wollte.

Die eigentliche Debatte tobt zwischen dem freien Willen und dem Determinismus. Damit sind wir auch wieder bei Dawkins und dem wissenschaftlichen Weltbild. In der Naturwissenschaft beobachten wir nahezu ausschließlich Vorgänge, die determiniert sind. Auf eine Aktion folgt eine Reaktion. Nichts geschieht ohne Auslöser. Und hätten wir nur alle notwendigen Daten und die notwendige Mathematik, so könnten wir den Verlauf der Zeit berechnen. Wir könnten mit den vollständigen Daten, alles vorherbestimmen, da ja alles aus dem bereits geschehenen folgt.

Die Annahme von diesem wissenschaftlichen Weltbild und seinen prominenten Vertreter wie Sam Harris, Richard Dawkins oder Yuval Noah Harari ist, dass die Handlungen von Menschen ebenfalls determiniert sind. Also wir, bei vollständigem Wissen über alle relevanten Daten, genau berechnen könnten, was ich als Nächstes schreibe, tue oder denke. Der freie Wille, oder unsere Selbstwahrnehmung als ein, unter den obigen Einschränkungen, von äußeren Zwängen freier Akteur, ist demnach nur eine Illusion. Eine mächtige Illusion, wie Dawkins in dem oben erwähnten Interview anführt, aber dennoch nur eine Illusion.

Das Libet Experiment

Diese Illusionsannahme stützt sich auf ein prominentes Experiment. Das sogenannte Libet Experiment, Ende der 70er Jahre, benannt nach dem amerikanischen Wissenschaftler Dr. Benjamin Libet. Das Experiment fußt auf der Arbeit von den Doktoren Hans Helmut Kornhuber und Lüder Deecke. Diese hatten im Gehirn, Mitte der 60er Jahre, eine spezielle „Welle“ entdeckt, die unmittelbar vor einer Entscheidung anzusteigen schien. Diese nannten sie das Bereitschaftspotential.

Die Idee des Bereitschaftspotentials war, dass sie den Prozess sichtbar macht, der das Bewusstsein auf eine Entscheidung vorbereitet. Ein solche Entscheidung könnte zum Beispiel die spontane Bewegung eines Armes sein. Im Determinismus würde diese Entscheidung durch einen äußeren Einfluss vorherbestimmt oder determiniert sein. Wir hätten nicht die Möglichkeit uns gegen die Bewegung des Arms zu entscheiden, auch wenn wir es anders empfinden, so die Annahme.

Dr. Libet hatte sein Experiment wie folgt aufgebaut. Der Proband saß und blicke auf eine oszillierende Uhr. Sobald er den Drang verspürte, betätigte er einen Schalter. Dabei merkte er sich die Position der oszillierenden Uhr. In einem Vorexperiment konnte die Abweichung bei der Zeitmessung mit 50 ms als hinlänglich genau bestimmt werden. So wurde also aufgezeichnet, wann der Proband den Willen verspürte und diesen in eine Handlung, das Betätigen des Schalters, umwandelte. Parallel dazu wurden die Hirnströme gemessen, um den zeitlichen Verlauf des Bereitschaftspotentials zu ermitteln.

Bei der Auswertung wurde der, mittels EMG (Elektromyografie)  gemessene, Beginn der Muskelaktivität als Nullpunkt gesetzt. Dr. Libet interessierte, wie viel Zeit vor diesem Beginn der Muskelaktivität das Bereitschaftspotential anstiegt und wie viel Zeit vorher der bewusste Wille nach dem Drücken lag. Die Erkenntnis war, dass das Bereitschaftspotential ca. 500 ms vor der Handlung anstieg. Der Drang den Schalter zu drücken erfolgte allerdings erst 150 ms vor der Muskelaktivität.

Die Folgerung aus diesem Experiment waren bestimmend für den Diskurs Freier Wille vs. Determinismus der nächsten Jahrzehnte. Zentrrale Erkenntnis war, dass das Gehirn bereits die Bereitschaft zur Handlung anlegt, bevor wir den Drang verspüren und somit eine bewusste Entscheidung zum Handeln vollziehen. Die Schlussfolgerung, über die man auch heute noch häufig stolpert, war, dass unser Gehirn uns die freie Entscheidung nur vorspielt und schon Millisekunden davor die Handlung angelegt wird. Scheinbar ohne unser bewusstes Zutun. Das Gehirn entscheidet also, ohne seinen Besitzer, zu handeln, so die Interpretation des Ergebnisses.

Hat uns die Wissenschaft also endlich eine Lösung der Debatte beschert? Sind wir gar nicht der Herr über unsere Handlungen, sondern nur Opfer der Illusion einer autarken Entscheidung? Leider nein, oder Gott sei Dank möchte ich anmerken. Ich werfe an dieser Stelle ein, dass ich eher gewillt bin an einen freien Willen zu glauben. So können Sie, werter Leser, diese Zeilen auch besser einordnen, da sie meine Position, oder unfreundlicher, Voreingenommenheit nun kennen. Vor dem Hintergrund meiner eigenen Position berichte ich dennoch, so objektive es mir eben möglich ist.

Neue Ergebnisse

2010 hatte ein Herr Dr. Schurger eine Erkenntnis. Bei dem Beobachten der Hirnwellen stellte er ein rein zufälliges auf und ab fest, wie bei Wellen im Ozean. Wenn man jedoch dieses Rauschen nach seinen Hochpunkten ordnen und rückwärts mitteln würde, so entstünde das Bild eines ansteigenden Trends, ohne, dass es dafür eine wirkliche Ursache gibt. Genau das hatten aber die Herrn Doktoren Hans Helmut Kornhuber und Lüder Deecke bei ihrem Bereitschaftspotential getan. Dr. Schurger unterzog also das spontane Grundrauschen des Gehirns der gleichen Auswertungsmethodik von Dr. Kornhuber und Dr. Deecke und fand ein Muster, das aussah wie das Bereitschaftspotential.

Für eine Entscheidung im Gehirn müssen mehrere Neuronen zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommen, simpel gesprochen. Sehen wir viele Schneeflocken und beobachten wir die Richtung ihrer Bewegung, so kommen wir zu der Erkenntnis, dass der Schnee nach unten fällt. Meist sind wahrgenommene visuelle Reize oder andere äußere Eindrücke, Grundlage oder Auslöser einer Entscheidung und somit einer Handlung. Passiert nichts, tun wir nichts, könnte man sagen. In Dr. Libets Experiment gab es aber keine äußeren Eindrücke, nach denen eine Entscheidung getroffen werden konnte. Es mussten, so zu sagen, zufällig mehrere Neuronen übereinstimmen, um die Handlung auszulösen.

Dr. Schurer stellte den Versuch von Dr. Libet nach. Er erweiterte den Aufbau aber um eine Kontrollgruppe, die nichts tun sollte. Eine künstliche Intelligenz wurde genutzt, um zu ermitteln, zu welchem Zeitpunkt sich die Gehirnwellen der nicht handelnden und handelnden Probanden unterschieden. Sollte Dr. Libet mit seiner Schlussfolgerung richtig liegen, und die Entscheidung zum Handeln ohne unser Zutun stattfinden, so müssten sich die Wellen ca. 500 ms vor der Messung der Muskelaktivität unterscheiden. Der ermittelte Unterschied lag aber bei ca. 150 ms vor der Handlung, also genau in dem Bereich, in dem auch im Dr. Libets Experiment die Probanden eine bewusste Entscheidung zur Bewegung trafen.

Dr. Libets Erkenntnis und die scheinbare Lösung der Frage frei oder nicht frei gilt seitdem als widerlegt. Die Neurowissenschaft hat uns nicht aus der Patsche geholfen. Heißt das nun aber, dass es einen freien Willen gibt. Nun, leider auch das nicht zwingend. Zumal ein wirklich freier, also zufälliger Wille, ja auch keine wünschenswerte Erkenntnis ist.

Freier Wille und MacIntyres Unvorhersagbarkeiten

Ich möchte Sie noch mit Gedanken und Argumenten aus der Philosophie konfrontieren, die wenig bekannt sind. Alistair MacIntyre hat vier zentrale Punkte herausgearbeitet (hier kurz in einem Video dargelegt), mit denen er gezeigt haben möchte, dass ein starker Determinismus vom Tisch ist. Genauer, vier Unvorhersagbarkeiten. Dem Determinismus folgend, und ich mag mich hier bei der Dartstellung täuschen oder zu ungenau sein, ließen sich unsere Gedanken und Handlungen vorherbestimmen, wenn wir nur alle relevanten Daten kennen würden. Hätten wir ein komplettes Wissen über die Daten bzw. Aktionen, so könnten wir die Handlungen bzw. Reaktionen vorherbestimmt. Menschliches Verhalten wäre damit zu 100 % Genauigkeit vorhersagbar (der sogenannte starke Determinismus). 

Laut MacIntyre ist dies logisch unmöglich. Sein erster Punkt, oder die erste Unvorhersagbarkeit ist, die von konkreten Konzepten oder Ideen. Stellen Sie sich drei Steinzeitmenschen vor. Der erste sagt: „In zehn Jahren werden wir das Rad erfinden“, der zweite fragt berechtigterweise: „Was ist ein Rad?“, woraufhin der dritte in allen Details erklärt, was ein Rad ist. Damit ist das Rad aber schon erfunden. Die Entwicklung komplexer Konzepte ist nicht vorhersagbar, da die Vorhersage bereits das Konzept umfassen würde.

Die zweite Unvohersagbeitkeit ist, dass wir nicht wissen können, was wir als Nächstes denken. Unsere zukünftigen Gedanken sind in unserem Gehirn nicht vorhanden, wären sie es, so wären sie unsere jetzigen Gedanken. Daraus folgt auch gleich seine dritte Unvorhersagbarkeit. Der Spieltheorie folgend ist es nicht möglich, den Ausgang eines Spiels mit mehreren unabhängig voneinander handelnden Akteuren mit unterschiedlichen Interessen genau vorherzusagen. Da keiner der Akteure seine zukünftigen Gedanken und Handlungen kennt, kann er auch unmöglich die zukünftigen Handlungen und Gedanken der anderen Spieler kennen.

Die letzte Unvorhersagbarkeit MacIntyres ist die Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse. Wir wissen nicht, wie wir auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren werden. Paris konnte nicht wissen, dass Helenas Aussehen seine Aktionen auf die Art beeinflussen würden, dass er einen Jahrzehnte langen Krieg auslösen würde. Diesen vier Unvorhersagbarkeiten folgend, kann menschliches Verhalten logisch nicht vorhergesagt werden, und damit ist ein starker Determinismus vom Tisch, argumentiert MacIntyre.

So, und was machen wir nun praktisch mit unseren Erkenntnissen?

Für den Autoren scheint festzustehen, dass der freie Wille nicht widerlegt ist und dass ein starker Determinismus schwer mit der wahrgenommenen Welt in Einklang gebracht werden kann. Ein Leben der Annahme folgend, dass wir, basierend auf unserer Person, Präferenz und vergangener Prägung, frei Entscheidungen treffen können und für diese Entscheidungen Verantwortung tragen, erscheint ihm daher sehr sinnvoll. Und selbst Dawkins, ein klarer Anhänger des Determinismus, gesteht ein, dass er auf genau diese Art und Weise seinen Alltag gestaltet.

Meine 7 Stolpersteine des Klimawandels

Im Jahr 2006 besuchte ich das Kino in der Stadt meiner Hochschule (bevor es wenige Zeit später geschlossen wurde und ja, es war das einzige Kino in dieser Stadt) und sah den Film “Eine unbequeme Wahrheit”. Der Film schockte mich. Ich war Anfang/Mitte zwanzig und noch sehr am Anfang meiner Persönlichkeitsfindung. Ich geriet kurz darauf in einen lauten und heftigen Streit mit einem guten Freund von mir. Anlass war das Wort “Wahrheit” im Titel des Films. Ich war überzeugt von der Wahrheit des Inhalts. So sehr, dass ich mein Studium darauf ausrichtete.

Es ging natürlich um den Klimawandel, der damals noch Erderwärmung hieß und aktuell langsam zur Klimakatastrophe wird, zumindest dem Wortlaut nach. Nach Beendigung meines Studiums und meinem ersten Arbeitsplatz im Bereich Bioenergie und Wärmetechnik setzte langsam ein Erkenntnisprozess ein. Ich wurde kritischer und mir fielen immer mehr Punkte auf, über die ich stolperte, wenn ich versuchte, die tatsächlich komplexe Thematik, zu ordnen oder klar zu greifen.

Heute, also 18 Jahre später, möchte ich die wichtigsten Punkte auf unterschiedlichen Ebenen zusammentragen, die mich auch heute noch stolpern lassen.

Wenn man über den Klimawandel spricht, muss man als Erstes zwei Ebenen trennen, die leider immer miteinander vermischt werden: Die politische Ebene und die empirische Ebene (ich spreche absichtlich nicht von „wissenschaftlich“, da damit leider oft die politische Ebene gemeint oder bedient wird).

Vertritt man eine kritische Position gegenüber dem politischen Umgang mit dem Klimawandel in Deutschland oder Europa, findet man sich schnell in der Ecke, in der die Leute stehen, die die „Wissenschaft“ nicht anerkennen, so bedauerlicherweise häufig die „Argumentation“, oder genauer, Anschuldigung der vermeintlichen Gegenseite. Ungünstigerweise verkennt dieser Vorgang, dass man auch bei einer Anerkennung der empirischen Ebene, sich der politische Kurs, den Deutschland oder Europa eingeschlagen hat, nicht zwingend ergibt. Oder anders, auch wenn wir uns empirisch einig sind, können wir dennoch politisch unterschiedliche Lösungen für richtig erachten.

Die andere Ebene ist die empirische oder wissenschaftliche. Also weniger die Frage, wie wir mit dem Klimawandel, oder genauer, mit dem menschengemachten Anteil davon, politisch oder gesellschaftlich umgehen, sondern eher die Frage, wie signifikant ist der menschengemachte Anteil am Klimawandel und wie signifikant ist der Klimawandel. Die Gegenseite stellt hier häufig die äußerst eloquente Behauptung auf, man würde den Klimawandel „leugnen“, wenn man auf dieser Ebene diskutiert. Auch hier ist wohl weniger ein inhaltlicher Austausch oder eine ehrliche Suche nach dem wahren Kern in der Sache das Ziel des Gesprächs, als mehr das untragbar Machen der Gegenseite durch vehementen Einsatz von Ad Hominem Vorwürfen, ganz nach Arthur Schopenhauers Eristischer Dialektik (Untertitel: Die Kunst recht zu behalten).

Widmen wir uns also den Stolpersteinen, die es mir mittlerweile unmöglich machen, in der gleichen Leidenschaft dem Ökologismus zu frönen wie gewisse Mitglieder unserer Gesellschaft, die ein gezieltes Zerstören von Kunstwerken als geeignete Methode des Diskurses erachten oder einfach nur gerne den Verkehr stören.

Ich konnte in Summe sieben ausmachen, die mich stolpern lassen:

  1. Nach aktueller Einschätzung ist der Weltuntergang nicht zwingend
  2. Erneuerbare machen die Versorgung gesichert unsicherer bei ungesicherter Weltuntergangslage
  3. Umweltschutz vs. Sozialismus
  4. Ökologismus vs. Ökomodernismus
  5. Umweltschutz ist Luxus
  6. Was ist die mittlere Temperatur und messen wir diese korrekt
  7. Macht korrumpiert

Nach aktueller Einschätzung ist der Weltuntergang nicht zwingend

Auch wenn wir es uns kaum vorstellen können, in unserem hoch technologisierten Zeitalter, in dem das Wissen der Welt auf dem Touchscreen in der Hosentasche binnen Sekunden verfügbar ist, aber wir können die Zukunft immer noch nicht vorhersagen. In der Klimaforschung bedient man sich unterschiedlicher Szenarien. In 2014 wurden die RCP Szenarien aufgestellt. Diese hatten die SERS Szenarien abgelöst, die ihrerseits wiederum die IS92-Szenarien von 1992 abgelöst hatten. Diese RCP Szenarien wurden dann 2021/22 im 6. Bericht des IPCC von den SSP Szenarien abgelöst.

Keines der Szenarien bietet wirklich den Stoff für einen Weltuntergang. In den schlimmsten Szenarien steigt der Meeresspiegel um ca. 40 cm bis 2100. Die Niederlande liegen zu einem großen Teil 5 m unter dem Meeresspiegel und machen sich ganz gut dafür.

Einzige Möglichkeit, dass selbst in einem Worst-Case-Szenario wie dem RCP 8,5 (wir verbrennen alles an Kohle, was wir aktuell an Vorkommen haben und dann fast nochmal so viel) sich die fast schon ersehnten apokalyptischen Zustände einstellen, sind die sogenannten Kipppunkte. Die Annahme dahinter ist, dass das System Klima bei Erreichen oder besser Überschreiten von unterschiedlichen Kennzahlen oder Messwerten kippt. Also bildlich gesprochen, wie ein Würfel, der von einer Seite auf eine andere fällt, wenn man ihn nur weit genug kippt. Tatsächlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein so komplexes und dynamisches System wie unser Klima über nur wenige Freiheitsgrade verfügt. Es ist eher wahrscheinlich, dass unser Klima kein Würfel, sondern ein Ball ist. Und der kippt nicht.

Ein weites Indiz für das Ausbleiben des Weltuntergangs ist die Anzahl der Opfer von Naturereignissen. Sollte sich in den letzten hundert Jahren, das Klima tatsächlich Richtung Katastrophe entwickelt haben, wie hier und da dargestellt, dann sollten wir ja eine Zunahme oder wenigstens eine konstante Opferzahl von Naturereignissen beobachten. Zumal sich die Weltbevölkerung seit 1920 vervierfacht hat, also über deutlich mehr potenzielle Opfer verfügt (Der Zuwachs fand hauptsächlich in der sich entwickelnden Welt statt). Aber die Zahlen sinken. Waren es 1920 noch 500.000 (im 5-Jahresschnitt betrachtet) sind es 2022 nur noch etwas über 10.000 gewesen.

Häufigkeitsverteilung der Produktion Windkraft: In Blau die Leistung die zur Verfügung steht und in rot der Bedarf. Es ist sofort offensichtlich, wie „gut“ das zusammenpasst.

Erneuerbare machen die Versorgung gesichert unsicherer bei ungesicherter Weltuntergangslage

Wenn wir uns vor Augen geführt haben, dass der Weltuntergang einerseits nicht zwingend ist und andererseits nicht unmittelbar bevorsteht, so lassen sich politische Maßnahmen vor diesem Hintergrund ganz anders einordnen. Im Unterschied zur Unsicherheit des Weltuntergangs ist die Unsicherheit der Energieversorgung mit Wind und Sonne gesichert. Was meine ich damit? Nun ganz einfach, dass nicht immer Sonne scheint und oder Wind weht. Das Jahr hat 8766 Stunden und in Deutschland haben wir ca. 66 GW Windkraftanlagen. Schätzen sie wie viele Stunden diese Windkraft anlagen die volle Leistung gebracht haben?

Antwort: 0h. Gehen wir etwas runter. Wie viele Stunden haben sie denn mindestens 80 % der installierten Leistung gebracht? 3h. Nun, das klingt nicht ermutigend. Sind wir noch freundlicher und fragen, wie viele Stunden haben sie denn wenigstens 50 % der Leistung gebracht? 1.323,66h, also fast 10 % der Stunden in einem Jahr. Das ist doch schon mal was. Aber welche Leistung haben sie denn dann mindestens in 50 % der Stunden in einem Jahr geliefert? Die Antwort ca. 14GW oder ca. 20 % der installierten Leistung. Das heißt, dass ich bei 66 GW installierter Leistung, oder Tausenden von Windrädern, die Hälfte des Jahres 80 % der Leistung aus anderen Quellen decken muss. Zum Vergleich, ein Kernkraftwerk läuft ca. 8600h im Jahr auf 100 %.

Erneuerbare Energie, im speziellen Wind und Sonne erhöhen unsere Abhängigkeit von Wind und Wetter, und tun damit genau das Gegenteil von dem, was Technologie seit dem Mittelalter getan hat, nämlich uns unabhängig von Wind und Wetter zu machen. Wir können Licht haben, wenn es dunkel ist und Mehl malen, auch wenn kein Wind geht. Noch zumindest.

Umweltschutz vs. Sozialismus

Einer meiner größten Stolpersteine ist, dass es mir schwerfällt gerechtfertigten Umwelt- oder Klimaschutz von Sozialismus abzugrenzen. Beide wollen nämlich scheinbar dasselbe. Sie wollen die freie westliche kapitalistische Gesellschaft durch eine von Räten oder anderen zentralisierten Machthabern (bei allen Sozialismen der Geschichte war es früher oder später der despotische Alleinherrscher, aber das nur am Rande) gesteuerte Planwirtschaft ersetzen.

Ulrike Herrmann muss man, trotz aller kritikwürdigen Punkte in ihrem Buch “Das Ende des Kapitalismus”, zugutehalten, dass sie als eine der ersten eine konkrete Lösung vorgeschlagen hat. Ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft auf den Stand von 1974 durch ein Modell, dass sich an der englischen Kriegswirtschaft orientiert. Also eine von Räten gesteuerte Planwirtschaft. Bisher hat uns die Geschichte ziemlich eindeutig vor Augen geführt, dass der Kapitalismus die bessere Variante ist, um mit dem Problem der Verteilung von begrenzten Ressourcen umzugehen.

Umwelt und auch Klima kann sehr gut als eine solche knappe Ressource betrachtet werden (bisher haben wir tatsächlich nur eine Erde). Daher erschließt sich mir nicht, warum hier das Klima eine Ausnahme sein soll, zumal vor dem Hintergrund einer nicht vorhanden unmittelbaren Bedrohung (wie sie im Zweiten Weltkrieg für Großbritannien vorhanden war).

Ökologismus vs. Ökomodernismus

Zum Glück gibt es auch noch andere Lösungsansätze. Ich möchte hier den Ökomodernismus oder Ökopragmatismus vorstellen. In meiner Wahrnehmung hat der Ökologismus oder Ökosozialismus starke religiöse oder/und ideologische Züge. Jede Entwicklung scheint den drastischer werdenden Klimawandel zu bestätigen und die Apokalypse scheint unvermeidbar. Mein Eindruck ist, dass für Ökoligisten, der politische Kurs und der als massiv wahrgenommen menschengemachte Anteil am Klimawandel nicht falsifizierbar sind.

Für sie sind keine Beweise oder neue Fakten denkbar, die ihre Ansicht in diesen Bereichen ändern würden. Das hat den Grund, dass es eben nicht Fakten oder Daten waren, die sie von der Position überzeugt haben. Es geht um Emotion und Spiritualität. Aber genug davon, die Beleuchtung der religiösen Tendenzen dieses oder anderer Auswüchse des Zeitgeistes werde ich sicher noch an anderer Stelle beleuchten.

Der Ökomodernismus ist, salopp gesagt, die Art von Umwelt- oder Klimaschutz, der sich bei einer Abwägung der Daten und Fakten ergibt. Patrick Moore oder Michael Schellenberger sind zwei prominente Vertreter dieser Ansicht. Der Blog “Tech for future” firmiert auch unter dieser Anschauung und kann von mir an dieser Stelle nur empfohlen werden. Der Ökomodernismus spricht, wie auch das IPCC, davon, dass eine Mischung aus Kernkraft, Gaskraftwerken und Erneuerbaren die Stromversorgung sicherstellen sollten. Dazu werden Ideen wie möglichst wenig Flächen zu versiegeln durch höhere Bauten und intensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen propagiert.

In Summe könnte man sagen, der Ökomodernismus hält die freie westliche, kapitalistische Gesellschaft für mit dem Umwelt- und Klimaschutz vereinbar, er sieht den Menschen als Teil der Natur und nicht als außerhalb der Natur und geht davon aus, dass Technologie und Fortschritt die Lösung für Herausforderungen der knappen Ressource, Umwelt oder Klima sind statt Verzicht und Deindustrialisierung.

Umweltschutz ist Luxus

Umweltschutz interessiert den Menschen nur, wenn seine tieferen Bedürfnisse nach Unterkunft, Trinkwasser, Essen, Arbeit, Selbstverwirklichung und so weiter bereits erfüllt sind. Gesellschaften fangen an, sich mit Umweltschutz zu befassen, sobald sich ein solider Mittelstand entwickelt hat. Der Kampf gegen die Armut war in den letzten 150 Jahren sehr erfolgreich. Die Weltbank nutzt das Kriterium “weniger als 2 $ pro Tag” als Kriterium für Armut, um vor allem eine einfache Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten noch über 80 % der Weltbevölkerung in Armut, also mit weniger als 2 $ pro Tag. Damals lebten rund eine Milliarde Menschen auf dem Planeten. Heute leben weniger als 20 % der Weltbevölkerung in Armut. Bei über acht Milliarden Menschen wohlgemerkt. Aber der nächste Bevölkerungsboom, nach dem asiatischen der letzten 100 Jahren wird der afrikanische in den kommenden 100 Jahren sein. Und dort sind die heutig ärmsten Menschen zu finden.

Weltweiter Klimaschutz wird für Asien zu Teilen und für Afrika im Ganzen erst dann ein wirklich relevantes Ziel werden, wenn deren jeweilige Bevölkerung aus der Armut gehoben wurde und einen relevanten Mittelstand entwickelt hat. Kein Vater und keine Mutter wird auf den Ausstoß an CO₂ verzichten wollen, wenn der Preis Unsicherheit, Krankheit oder Chancenlosigkeit der eigenen Kinder ist, wie Konstantin Kissin in seiner sehr sehenswerten Rede vor der Oxford Union in seiner finalen Metapher anmerkte.

Was ist die mittlere Temperatur und messen wir diese korrekt

Seit Beginn der Diskussion zum Klimawandel ist die zentrale Größe die Entwicklung der weltweiten mittleren Temperatur. Nur um das nochmal klarzumachen, wir brechen das hochkomplexe und dynamische System Klima auf eine Größe runter, die mittlere weltweite Temperatur, und versuche diese durch die Limitierung einer anderen Größe, dem Ausstoß von CO2, zu regeln. “Sounds fishy”, wie der Engländer sagen würde.

Gehen wir kurz auf die gemessene Größe eine, der Temperatur. Können Sie mir sagen, wie diese gemessen wir? Nehmen wir die Temperatur am toten Meer und addieren sie mit der am Mount Everest und teilen das dann durch zwei? Und was sage uns dieses Ergebnis dann? Und wie messen wir die Temperatur? Zumindest das ist einfach zu vermuten, es gibt dafür spezielle Messstellen. 

Nehmen wir also die Werte der Messstellen und addieren diese auf und bilden einen Mittelwert? Noch nicht ganz. Als Erstes nimmt man einen Mittelwert, z.B. von 1950 bis 1980. Dann berechnet man, wie die Abweichungen der Messstelle von diesem Mittelwert sind. Und von diesen Abweichungen bildet man dann wieder den Mittelwert. Das ist zumindest die Methodik, die ich als Erklärung gefunden haben.

Nun fehlen aber hier und da Messwerte, vor allem aus der Vergangenheit. Und zusätzlich stieg die Anzahl der Messpunkte vor allem in den letzten 50 Jahren stark an. Vor allem in urbanen Bereichen kamen einige Messstellen hinzu. Dort kommt es aber zum sogenannten Wärmeinseleffekt. In einer aktuellen Studie haben Forscher versucht, mit aktuellen Modellrechnungen den Temperaturverlauf der Historie zu rekonstruieren. Dabei konnten die Modelle die historischen Verläufe der Temperatur nur schlecht nachbilden, sondern lagen tendenziell eher zu hoch.

Bereinigt man nur die Messwerte um die Messstellen der letzten Zeit, vor allem die Messstellen im urbanen Bereich der Wärmeinseln, so kommt man schon näher an die historischen Werte heran. Wenn man zusätzlich noch den Einfluss der Wolkenbildung erhöht (er liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich, hat aber über Jahrzehnte hinweg einen deutlichen Effekt) so können die Modelle die Verläufe der Temperaturen der Historie deutlich besser nachbilden. Das deutet darauf hin, dass es sein kann, dass aktuelle Modelle zu Simulation der Temperaturentwicklung für die Zukunft aufgrund des Wärmeinseleffektes und einer Unterschätzung des Einflusses der Wolkenbildung zu hohe Temperaturen liefern.

Macht korrumpiert

Ich stelle an dieser Stelle einmal drei Thesen auf, die für meine Weltsicht entscheiden sind:

  • Menschen sind alle gleich 
  • Jeder Mensch kann ein Arsch sein
  • Und Macht korrumpiert

Dem folgend geht es also zu einem gewissen Teil in der wissenschaftlichen Welt um Macht und deren korrumpierenden Effekt, oder anders, je mehr es um Macht und Einfluss geht oder diese vorhanden oder realisierbar ist, desto höher wird der Anteil der Menschen, die sich von dieser Macht korrumpieren lassen. Das ist im Bereich Klima sicherlich so.

Erstes Indiz war Climategate, also der E-Mail Hacking Fall aus dem Jahr 2009, aber auch andere Berichte über die Art und Weise wie der Peer-Review Prozess im Bereich Klima läuft. Eine kurze Erklärung: Mit Peer-Review ist gemeint, dass wissenschaftliche Papers in Magazinen, wie z.B. Nature, veröffentlicht werden. Diese werden von Wissenschaftlern der gleichen Zunft gelesen. Ziel dabei ist es, methodische Fehler in den Arbeiten zu erkennen. Wenn also eine Studie in einem prominenten Magazin veröffentlicht wurde, und es keine Beanstandung gab, so ist das der Goldstandard der Wissenschaft.

Meine Vermutung ist, dass es einen gewissen Anreiz speziell für junge Klimaforscher gibt, eher Ergebnisse zu produzieren, die das aktuelle Narrativ, und damit den Einfluss des IPCC, stützen, um den vorhanden Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu erhalten oder zu erhöhen. Auf der anderen Seite gibt es auch einen gewissen Anreiz für die Wissenschaftler, die die Studien, die veröffentlicht wurden, prüfen sollen (also die Peers in Peer-Review), Studien eher weniger genau zu prüfen, die den eigenen Einfluss sicher und Studien die dem machtsichernden Narrativ widersprechen, genauer zu prüfen oder sogar mit schlechten Begründungen abzulehnen.

Darüber hinaus gibt es auch viele “wissenschaftliche” Einrichtungen (z.B. Agora Energiewende), die Ergebnisse produzieren, die gar nicht in wissenschaftlichen Veröffentlichungen erscheinen wollen, also am Peer-Review-Prozess vorbeilaufen. Deren Ziel ist dann nur noch Stützung des politischen Narrativs. Auch der Bericht des IPCC hat eine gewisse Tendenz, zumindest kann die Tatsache, dass das Summary für politische Entscheidungsträger erstens deutlich besser lesbar ist und zweitens oft vor dem eigentlichen Bericht veröffentlicht wird, als Indiz gesehen werden.

Ich werde versuchen, den ein oder anderen dieser Stolpersteine in weiteren Artikel etwas genauer zu beleuchten. In Summe bringt mich die Kombination der Stolpersteine, die aus dem politischen und empirischen Bereich kommen, dazu, der Vehemenz, mit der gewisse “wissenschaftliche” Erkenntnisse und die eingeschlagene politische Richtung verteidigt werden, mit einer milden Vorsicht zu begegnen. Ich möchte schließen mit dem Zitat eines Vertreters einer gewissen Partei aus dem kommunalen Gremium, dem ich die Ehre habe anzugehören, welches, so glaube ich, gut zeigt, wie ideologisch man unterwegs ist:

“Sie müssen halt einfach an die Wissenschaft glauben!”

Der Schwätzer, oder Kategorie, Bedingung und Privileg

Eine typische Situation aus dem Alltag: Es ist morgens ca. 9:00 Uhr und man trifft sich in der Kaffeeküche. Es werden unverfängliche Themen diskutiert und von den individuellen Erlebnissen erzählt. Dabei kennt bestimmt jeder einen gewissen Typ Kollegen. Dieser Typ setzt gerne einen darauf und „toppt“ die eigenen Erzählungen. Dabei beansprucht er, bewusst oder unbewusst, die Privilegien einer bestimmten Kategorie ohne die notwendigen Bedingungen zu erfüllen. Sicher denkt jetzt der ein oder andere meiner Leser: Schön! Was meint der Autor denn nun schon wieder damit? Lassen Sie mich das gerne erläutern:

Kategorie zuerst

Menschen lassen sich entsprechend ihrer Eigenschaften, Fähigkeiten, Verhalten oder Interessen in Kategorien einteilen. Z.B. in die Kategorie „Groß“ oder „Klein“, in die Kategorie „Fußballer“ oder „Boxer“ oder in die Kategorie „Klaustrophober“ oder „Neurotiker“. Es ist nicht unüblich, dass sich Menschen im Gespräch an einer passenden oder auch unpassenden Stelle in eine beliebige Kategorie einordnen. „Ich bin übrigens auch Fußballer“, könnte so ein Satz lauten. Dann läuft bei den Zuhörern ein verständlicher Prozess ab. Jeder hat, aus Erfahrung oder auf Basis von Wissen, eine Vorstellung davon, welche Bedingungen die Zugehörigkeit einer Person zu einer Kategorie mit sich bringt. Eine solche Annahme bzgl. des Fußballers könnte unter anderem sein:

  • Die Person kann Fußballspielen
  • Die Person ist oder war in einem Verein aktiv
  • Die Person spielt immer noch in regelmäßigen Abständen Fußball

Dann Bedingung und Privileg

Sollte sich später herausstellen, dass die Person keine der Bedingungen erfüllt, werden die wenigsten Menschen die Person damit konfrontieren. Die meisten sehen wenig Nutzen in direktem Konflikt. Aber so gut wie alle Zuhörer der ursprünglichen Behauptung werden, wenn die Tatsache offenbar wird, dass die Person keine der Bedingungen erfüllt, im Gedächtnis speichern, dass die Person, gelinde gesagt, nur ein Schwätzer ist. Mit der Zugehörigkeit zu jeder Kategorie gehen gewisse Privilegien einher. Einem Fußballer wird mehr Aufmerksamkeit und seinen Aussagen mehr Gewicht geschenkt, bei einem Disput zum Thema Fußball. Mit der Behauptung einer gewissen Kategorie anzugehören, fordern Personen also, direkt oder indirekt, die Privilegien ein, die mit der Erfüllung der Bedingungen einhergehen.

„Sie können mir ruhig glauben, ich bin Programmierer.“ Hat nur eine Bedeutung oder seine Aussagen haben nur dann ein Privileg, wenn er tatsächlich die Bedingungen der Kategorie erfüllt.

Wenn es zu einer Kategorie keine Bedingungen gibt, außer der Aussage der Zugehörigkeit, dann erfüllt die Kategorie keinen Zweck, außer, scheinbar zumindest, die Privilegien für sich zu beanspruchen. Beraubt man eine Kategorie ihrer überprüfbaren Bedingungen, so verliert sie auch alle Privilegien und damit die Relevanz der Erwähnung.

Blotz

Nehmen wir z.B. an, dass es die Kategorie „Blotz“ gibt. Eine Person muss keine Bedingungen erfüllen, um „Blotz“ zu sein, außer zu behaupten, sie wäre „Blotz“. Niemand würde der Aussage „ich bin übrigens Blotz“ Beachtung schenken. Sie hat keinen Wert. Die Zugehörigkeit zu einer Kategorie und das Wissen über die Zugehörigkeit einer Person zu einer Kategorie hat für Menschen einen Wert. „Hol Alex, der ist Ersthelfer“, hat einen klaren Mehrwert. Allerdings nur dann, wenn Alex auch wirklich die Bedingungen der Kategorie erfüllt.

„Blotz“ hat keinen Mehrwert. Die Aussage ist sinnentleert, da damit nicht die Behauptung einhergeht, man würde diese oder jene Bedingung erfüllen.

Wohin will ich damit eigentlich?

Mann und Frau

Wenn ich an die Kategorie „Frau“ oder „Mann“ keine Bedingung mehr knüpfe, außer, die Behauptung dieser Kategorie anzugehören, dann verliert das Wort bzw. die Kategorie jegliche Bedeutung. Wenn jeder eine Frau ist, der sich dazu erklärt, dann hat „Frau sein“ keinen Inhalt mehr. “Frauen und Kinder zuerst” wäre Sinn entleert. Jeder in einer ausreichenden Notsituation wäre sofort eine Frau.

An die Kategorie „Frau“ und „Mann“ Bedingungen zu knüpfen, ist notwendig. In der Vergangenheit waren diese Bedingungen so einfach, dass wir sie bereits 3-jährigen Kindern beibringen konnten.

Aktuell kann man aber den Versuch beobachten, die Zuordnung zu der Kategorie „Frau“ oder „Mann“ bedingungslos zu gestalten, ohne gleichzeitig auf die Privilegien zu verzichten. Die Aussage „Transfrauen sind Frauen“ zielt genau darauf ab, alle Privilegien, die Frauen genießen, auch Transfrauen zugänglich zu machen.

Die Bedingung in der Vergangenheit war, dass man weiblich sein musste, um eine Frau zu sein. Jetzt könnte man anmerken, dass ich das Problem der klaren Bedingung nur verschiebe, denn welche Bedingung muss denn für die Kategorie „weiblich“ erfüllt sein. Da sind wir wieder bei den 3-jährigen Kindern. Man erklärt es am Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gewisser Geschlechtsmerkmale. Genauer, der primären Geschlechtsmerkmale. Da es aber sein kann, dass Menschen über gewisse primäre Geschlechtsmerkmale verfügen, aber dennoch nicht klar männlich oder weiblich sind, muss man etwas genauer werden. Aktuell wird das an den Gameten festgemacht, also ob ein Organismus Eizellen oder Samenzellen produziert, bzw. primär auf die Produktion des Einen oder Anderen ausgelegt ist.

Tatsächlich basieren die Privilegien einer Kategorie auf den Bedingungen. Einem Fußballer glaubt man eher beim Thema Fußball, weil er das Fußballspielen seit Jahren betreibt und verfolgt. Eine Frau genießt gewisse Privilegien in der Gesellschaft, weil sie gewisse Eigenschaften hat. Der instinktive Ausruf “Frauen und Kinder zuerst”, also der Ausdruck, dass besonders Frauen und Kinder schutzbedürftig oder überlebenswichtig sind, liegt die Tatsache der Fortpflanzung zugrunde. In einem Stamm kann ein Mann zur Not alle Frauen schwängern, aber eine Frau kann nicht gleichzeitig die Kinder aller Männer austragen. Für das biologische Überleben einer Gruppe sind also Frauen und Kinder entscheidend und Männer entbehrlich.

Wenn sich nun aber Männer als Frauen erklären dürfen, so genießen sie Privilegien, ohne dafür eine logische Grundlage zu haben. Frauen und Kinder sind besonders schutzbedürftig. Dieser Bedarf begründet sich unter anderem auch dadurch, dass Frauen und Kinder Männern körperlich unterlegen sind. Zusätzlich sind die aggressivsten und damit für andere gefährlichsten Menschen in einer Gruppe oder Gesellschaft, Männer. Auch im Bereich sexueller Gewalt sind Männer als Tätergruppe bezogen auf ihren Bevölkerungsanteil stark überrepräsentiert.

Die Privilegien, vor allem der besondere Bedarf an Schutz, sind also begründet durch empirisch beobachtbare Tatsachen. Aktuell zwingt uns der Zeitgeist aber dazu, die subjektiven Emotionen einzelner oder sehr kleiner Minderheiten höher zu bewerten, als die durch Beobachtung begründete Realität.

Es ist wichtig, dass wir, als Gesellschaft, es auch Minderheiten ermöglichen, ein Leben entsprechend ihrer Empfindungen zu führen. Wir gehen aber zu weit, wenn wir Kategorien und Privilegien, die empirisch begründet sind, dem subjektiven Empfinden Weniger opfern. In einer freien, westlichen Gesellschaft darf kein Mensch erwarten, dass seine Empfindungen über sich oder die Realität, beobachtbare Tatsachen und darauf begründete Regelungen für alle Menschen außer Kraft setzen. Eine konsequente Anwendung dieses Prinzips, also die subjektive Empfindung höher zu werten als objektive Regelungen, macht ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Individuen in einer Gesellschaft unmöglich.

Rasse vs Kultur

Der Begriff Rassismus wird heutzutage schnell und an allen kulturellen Fronten ins Feld geführt. Keiner weiß genau, welcher Begriff noch „sicher“ und welcher schon „rassistisch“ ist. Weißt man beispielsweise darauf hin, dass gewisse Einwanderergruppen im Bereich der Gewaltverbrechen stark überrepräsentiert sind, im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil, so macht man sich schnell zum Rassisten. Gleichzeitig dürften Sie aber, werter Leser, schon mehr als einmal die Behauptung gehört haben, es gäbe keine menschlichen Rassen.

Die Annahme ist also scheinbar, dass das Verhalten der Personen durch die Zugehörigkeit zu einer, ja eigentlich nicht existierenden, Rasse zu begründen ist. Gleichzeitig will uns aber der Zeitgeist weismachen, dass geschlechtsspezifisches Verhalten nur gesellschaftlich, also kulturell, konstruiert wurde. Ist es nun Rasse oder Kultur?

Was meint denn eigentlich der Begriff Rasse?

Wenn man versucht sich dem Begriff Rasse zu nähern, stößt man zuerst an mehr als nur einer Stelle auf die Aussage: „Es gibt keine menschlichen Rassen.“ Was fangen wir nun damit an? Mit Rasse, z.B. in Bezug auf Hunde meint man phänotypische (erkennbare) Merkmale. Also Fell, Kopfform, Größe, Farbe und allgemeiner Wuchs. Ebenso ist es bei Pferden. Und wie ist das beim Menschen? Es dürfte jedem sofort klar sein, dass es Unterschiede im Phänotyp gibt, bei Personen, die aus unterschiedlichen Gebieten kommen.

Der wissenschaftlich korrekte Terminus wäre übrigens die Unterart, die wie folgt definiert ist (nach Herrn Ernst Mayr):

„Eine Subspezies(Unterart, Anm.d.Red.) ist die Zusammenfassung phänotypisch ähnlicher Populationen einer Art, die ein geographisches Teilgebiet des Areals der Art bewohnen und sich taxonomisch von anderen Populationen der Art unterscheiden.“ (Quelle)

Wie äußert sich nun aber dieser Unterschied? Als Erstes ist die Hautfarbe ein offensichtliches Merkmal. Menschen aus Regionen mit einer höheren Sonneneinstrahlung haben eine dunklere Hautfarbe und Menschen aus sonnenärmeren Gebieten haben eine hellere Haut. Soweit so uninteressant.

Karte der wahrscheinlichen Hautfarben nach UIV Strahlung
Künstlerische Wiedergabe einer von Nina Jablonski und George Chaplin erstellten Karte, die die voraussichtliche Hautfarbe der menschlichen Ureinwohner verschiedener Regionen auf der Grundlage der ultravioletten Strahlung der Sonne in jeder Region zeigt. Cut-Paper-Illustration von Gail McCormick

Über die Hautfarbe hinaus gibt es aber noch andere Merkmale, die scheinbar stark von der genetischen Herkunft abhängen. Obwohl die Hautfarbe sehr ähnlich ist, unterscheiden sich ein Äthiopier, ein Nigerianer, ein Inder und eine Aborigine den typischen Gesichtszügen, oder dem typischen Körperwuchs nach. Jetzt dürfte sich bei dem ein oder anderen Leser ein ungutes Gefühl im Bauch melden. Darf man das schreiben, dass Menschen aufgrund ihrer Abstammung unterschiedlich sind?

Ich hebe das Ganze kurz auf eine andere Ebene, um diese Frage zu beantworten.

Die Haarfarbe.

Es ist jedem klar, dass gewisse Haarfarben in gewissen Bevölkerungsgruppen nicht vorkommen. Japaner haben eben keine roten Locken und Iren kein schwarzes Kraushaar. Darf man das sagen? Klar, ich glaube, dabei hat kaum einer ein komisches Gefühl im Bauch. Es spielt nämlich keine Rolle, welche Haarfarbe man hat.

Mit der Hautfarbe halte ich es ebenso. Es spielt keine Rolle, welche Hautfarbe man hat. Aber die Hautfarben sind eben, genauso wie die Haarfarben, unterschiedlich. Meiner Meinung nach sollte es auch ebenso akzeptiert sein über Hautfarben zu sprechen wie über Haarfarben. Nur die Vorstellung, dass es eben doch eine Rolle spielen könnte, macht dieses ungute Gefühl. Befreien wir uns also davon und sprechen wie Erwachsene über offensichtliche Dinge.

Vielleicht noch ein kurzer Einwurf. Es könnte sich das Argument aufdrängen, dass Menschen wegen ihrer Hautfarbe herabgewertet wurden. Ja, das ist richtig. Das trifft aber auch auf andere Merkmale zu. Rothaarige Menschen wurden lange Zeit als Außenseiter behandelt und werden es immer noch (z.B. hier, hier oder hier). Der Vergleich ist also nicht so weit hergeholt wie es scheinen mag.

Wo waren wir? Ach ja, bei weiteren unterschiedlichen Merkmalen über die Hautfarbe hinaus. Aus meiner Kindheit und Jugend ist noch ein Brettspiel erhalten, das ich hier gerne anführen würde. Café International. Vergeben wir dem Spiel den Fehler, den viele andere auch machen, nämlich Afrika als Land zu betrachten. In dem Spiel geht es darum, Menschen aus unterschiedlichen Nationen in ein Café zu setzten, nach bestimmten Regeln. Worauf ich hinaus möchte, sind die Zeichnungen der unterschiedlichen Nationen.

Natürlich wird hier ein Klischee bedient. Der Italiener sieht eben aus, wie man sich einen Klischeeitaliener vorstellt. Sehen alle Italiener so aus? Nein, sicher nicht. Dennoch kennen wir viele Menschen, die eben sehr typisch aussehen für ihr Land oder ihre Abstammung. Es gibt Gesichtszüge, die sehr slawisch, französisch, englisch oder italienisch sind.

Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass Menschen, die sich seit Jahrtausenden einen mehr oder minder begrenzten Genpool teilen, gewisse äußere Merkmale haben (können), die man als typisch für diese Gruppe (oder Rasse oder Ethnie oder Volk) bezeichnen kann. Dabei gibt es durchaus Unterschiede, wie stark der Genpool einzelner Gegenden vermischt wurde. Afrika hat eine viel größere Diversität zwischen den einzelnen Völkern als Europa. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Afrika durch starke geografische Barrieren geprägt ist, die einen Austausch von Genen über die Jahrtausende verhinderten.

Und wie sieht es mit der Kultur aus?

Wie sieht es aber mit dem Begriff Kultur aus, was meinen wir damit und wie können wir uns dieser Idee nähern? Im Ursprung kommt das Wort vom lateinischen Verbum „colere“, welches mit bebauen, pflegen, urbar machen und ausbilden übersetzt werden kann. Von Beginn an meinte man damit sowohl die Kultivierung von Land, oder noch abstrakter der Natur (die den unveränderten Gegenpol zur Kultur darstellt), als auch die geistige „Bebauung“ oder Pflege der geistigen Güter.

Grundsatz einer Kultur, wie der allgemeine Volksmund sie heute wohl versteht, ist eine gemeinsame Sprache. Jeder Sprache wohnen aber auch die ersten gemeinsamen Ideen und Regeln inne. Wie begrüßt man sich? Wie zählt man in der Sprache? Welche unterschiedlichen Anreden sind gebräuchlich? Welche Redewendungen sind gebräuchlich? Welche ideenbeschreibenden Worte gibt es in dieser Sprache, die es in anderen Sprachen nicht gibt? Was gilt als besonders höflich und was bereits als unhöflich?

Der titelgebende Zeitgeist ist eine Idee der deutschen Sprache und wird in anderen Sprachen verwendet (im Englischen z.B.). Auch Worte wie Doppelgänger, Angst oder Gestalt leihen sich die Angelsachsen. Nach der Sprache kommen dann schon die Dinge, die Eltern ihren Kindern mit den Worten „das macht man nicht“, oder „das macht man so“ vermitteln, und oft nach zwei bis drei „warum“ Fragen des wissbegierigen Nachwuchses ohne Antwort da stehen. Die ersten Regeln und Gepflogenheiten.

Auf diesen Regeln bauen dann festere Verpflichtungen auf, die in der Gesellschaft vorherrschen bis zur obersten normativen Ebene, den Gesetzen. Dann gibt es noch die Frage nach der Schönheit, deren Antwort die Kunst versucht zu geben. Auch hier unterscheiden sich Kulturen voneinander. Teil dieser Kunst, aber auch Teil der vorherrschenden Regeln und Verhaltensweisen, ist auch die Mode. Daneben gibt es dann noch Kulinarik und übliche Freizeitvorlieben.

Fassen wir also kurz zusammen, was Kultur im allgemeinen Verständnis meint: Die Sprache, Regeln, Verhaltensweisen, künstlerischen Vorlieben, Mode, Küche und Freizeitvorlieben, die sich eine, meist geografisch beschränkte, Gruppe an Menschen teilt.

Jetzt zum Komperativ, dem Vergleich, bei Rassen und Kulturen

Was machen wir nun mit unserer schönen begrifflichen Annäherung an die Ideen von Rasse und Kultur? Natürlich machen wir einen Vergleich auf. Vor zweihundert Jahren ging man im wissenschaftlichen Umfeld davon aus, dass Rassen einen Einfluss auf Kultur, speziell Werte und Gepflogenheiten haben und, dass sich darauf basierend eine Rangfolge von höherwertigen Rassen und geringerwertigen Rassen formulieren kann. Die Rassenlehre, die ihren Ursprung zum Teil im philosophischen Aufeinandertreffen von individuellen Rechten und Sklaverei hatte.

Die Rassenlehre erwies sich als komplett falsch. Leider leitete sich vor dieser Erkenntnis der Rassismus, also eine politische Idee, aus der Rassenlehre ab. Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen wurde die Idee entwickelt, dass es zum Kampf der Rassen um diese Ressourcen kommen würde (eine Art globaler Sozialismus, der im Kleinen ja nur den Klassenkampf beschwört). Der nationale Sozialismus versuchte diesem Problem zu begegnen, mit grauenhaften Konsequenzen (wie immer bei den unterschiedlichenSozialismen…).

Anders als bei der Rasse können wir schnell zeigen, dass es Kulturen gibt, die „besser“ sind als andere. Dazu müssen wir aber kurz das „besser“ genauer betrachten. Ich bringe schon meinen Kindern, sehr zu deren Unzufriedenheit bei, dass wir eine Frage nach dem „Besser“ nur unter festen Kriterien beantworten können. Ist es besser, ein Schnitzel oder einen Salat zu essen? Nun, unter der Kategorie „Kalorien sparen, um abzunehmen“ wohl der Salat, unter der Kategorie „schnell viele Nährstoffe zu sich nehmen“ wohl das Schnitzel.

Was heißt also „besser“ in Bezug auf Kultur? Meist meinen wir damit wohl Kulturen, in denen sich Individuen ohne äußeren Zwang entfalten können. Zugegeben, das ist eine westliche Sicht auf die Dinge, aber ich bin nun mal ein Mann des Westens. Vor dem Kriterium können wir aber klar Kulturen ausmachen, die schlechter sind als andere. Ich nehme einfach ein krasses Beispiel, um das zu verdeutlichen: Eine Kultur, in der Homosexuelle als Verbrecher verurteilt und an Baukränen aufgehängt werden, ist schlechter (was zwanglose Entfaltung angeht) als eine Kultur, in der Homosexuelle in der Öffentlichkeit sichtbar Zärtlichkeiten (Damit meine nichts, was über Bussi oder Händchenhalten hinausgeht) austauschen können, ohne Aufsehen zu erregen.

Natürlich kann man meine Prämisse der „zwanglosen Entfaltung“ angreifen. Das werde ich sicher an anderer Stelle auch nochmal aufgreifen. Dann steigen wir aber in die Tiefen der Moralphilosophie ab. Das hat durchaus seinen Reiz, führt aber an der Stelle zu weit. Bleiben wir also vorerst bei der Prämisse, um die Überlegung nach dem „Besser“ weiter verfolgen zu können.

Jeder Kultur wohnt eine Vorstellung davon inne, was gut ist. Genauer gesagt könnte man in jeder Kultur ein Ideal formulieren, dem man sich annähert, wenn man ein besonders vollkommener Vertreter der jeweiligen kulturellen Werte ist oder sein will. Vor dieser Annahme gibt es aus der Sicht einer jeden Kultur ein „Besser“ oder „Schlechter“ im Bezug auf andere Kulturen. Simpel ausgedrückt geht es dabei darum, wie gut die kulturellen Werte der einen Kultur auch von den kulturellen Werten der anderen Kultur vertreten werden.

Das ist übrigens unabhängig von der genetischen Herkunft möglich. Ich erinnere mich noch an die Dokumentation zur WM 2010 in Deutschland, in der Spieler scherzhaft darauf hinwiesen, das David Odonkor der deutscheste von ihnen wäre und sie ihn deswegen ab und an „Helmut“ nannten. Auch aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich Personen die eindeutig nichtdeutscher genetischer Abstammung sind, aber kulturell deutlich deutscher als ich, also deutlich näher am Ideal (positiv formuliert) oder Klischee (eher weniger positiv formuliert) des Deutschen sind.

Sicherlich gibt es dabei Werte, die für ein Zusammenleben weniger kritisch sind. Ob jetzt eine gewisse Unpünktlichkeit intolerabel oder Ausdruck der persönlichen Freiheit ist, wird zwar nicht ohne Bedeutung für das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen sein, jedoch nicht zu Bürgerkriegen führen. Bei der Frage, ob Frauen wählen dürfen oder sich ohne männlichen Vormund im öffentlichen Leben bewegen dürfen, tritt schon ein größeres Streitpotential zu Tage.

Im aktuellen Diskurs werden die Begriffe Rasse und Kultur immer wieder durcheinander gewürfelt. Man geht in diversen Wissenschaften sogar von einem Rassismus der Kulturen aus. Es ist aus meiner Sicht unerlässlich die Begriffe sauber zu trennen. Schon alleine deswegen, da man sich für eine Kultur entscheiden, aber die eigene „Rasse“ nicht ändern kann. Ein Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen ist nur dann friedlich möglich, wenn die Ideale dieser Kulturen einen gewissen Deckungsbereich im Kern, also bei den entscheidenden Werten haben. Kulturen, die im Kern keine Gemeinsamkeiten haben, werden nur unter großen gesellschaftlichen Reibereien und mit ständigem Konfliktpotential zusammenleben können.

Wissenschaft, was ist das?

Was bedeutet es eigentlich, wenn man sagt: „Das lässt sich wissenschaftlich nicht bestätigen.“ Oder „Eine Wirkung ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen.“

Viele denken dann sowas, wie: „Der schon wieder mit seiner Wissenschaft …“, oder „Neben Wissenschaft gibt es aber auch noch andere Dinge, und die kann man eben nicht so einfach erklären…“ oder ähnliches. Dem zugrunde liegt wahrscheinlich ein, durch unseren Zeitgeist, getrübter Blick auf die Wissenschaft oder was die Wissenschaft eigentlich ist.

Wissenschaft ist eine Methode

Im weitesten Sinne ist die Wissenschaft eine Methodik, wie ich aus der Gestaltung meiner Beobachtung der Natur oder eben der Dinge, die passieren, neues, verlässliches Wissen ableiten kann. Es ist kein System, das Behauptungen aufstellt, sondern eine Methode, wie man möglichst sicheres Wissen gewinnen kann.

Oft geht es im Diskurs z.B. um medizinische Sachverhalte, die wissenschaftlich nicht belegt sind oder nicht belegt werden können. Aber was heißt das?

Angenommen Karl hat Kopfschmerzen und wir geben ihm eine Tablette. Eine Stunde darauf sind die Kopfschmerzen weg. Also, ist doch klar, dass die Tablette geholfen hat. Aber was wäre geschehen, hätten wir Karl die Tablette nicht gegeben?

So verzichten wir beim nächsten Mal, wenn Karl Kopfschmerzen hat, auf die Tablette. Wieder sind die Kopfschmerzen eine Stunde später weg. Dann hat die Tablette doch nicht geholfen. Aber woher wissen wir, dass die Schmerzen in beiden Fällen den gleichen Auslöser oder, ohne Tablette, die gleiche Dauer gehabt hätten? Ganz einfach, wir wissen es nicht und können es nicht wissen.

Kausalität vs. Korrelation

Der Zusammenhang zweier Ereignisse, die sich gegenseitig bedingen, nennt, man Kausalität. Das eine Ereignis, war der Auslöser (die Causa oder englisch the cause) für das andere Ereignis. Neben diesem Zusammenhang gibt es aber auch die bloße Gleichzeitigkeit (Korrelation) zweier Ereignisse, die sich aber nicht unbedingt gegenseitig bedingen (z.B. ‚Frauen, die kurze Röcke‘ tragen und ‚Eis essen‘). Ein drittes Ereignis kann verantwortlich sein für die beiden anderen, gleichzeitigen Ereignisse (Im Falle der Röcke und des Eisessens ist es wohl der Sommer bzw. die Sonne oder noch genauer, hohe Temperaturen).

Was kann man nun aber tun, um herauszufinden, ob die Tabletten, die wir Karl gegeben haben, wirklich helfen? In der wissenschaftlichen Forschung entfernt man sich hier von einem Individuum (oder der Anekdote, also dem, was ein Einzelner erzählen würde) und betrachtet eine möglichst große Gruppe. Statt Karl also bei Kopfschmerzen eine Tablette zu geben, suchen wir uns 1.000 oder noch besser 10.000 Menschen mit Kopfschmerzen und geben diesen eben die zu untersuchenden Tabletten. Je mehr, desto besser.

Studiendesign

Jetzt gibt es aber einen Effekt, den jeder schon mal gehört hat: Placebo. In den Tabletten, die wir untersuchen wollen, ist tatsächlich ein Schmerzmittel enthalten, in einer Menge, von der wir vermuten, dass es bei Schmerzen helfen könnte. Wenn ich 10.000 Menschen bei Kopfschmerzen jetzt aber ein TicTac gebe oder eine, wie eine echte Tablette aussehende, Zuckerkugel, dann werden zwischen 20 % und 30 % berichten, dass Ihre Kopfschmerzen verschwunden sind. Das nennt man den Placeboeffekt.

Aber wie finden wir jetzt heraus, ob unsere Tablette besser hilft als ein TicTac? Dafür nutzen wir eine Kontrollgruppe. Wir brauchen also zwei möglichst große Gruppen. Der einen geben wir unsere, zu testende Tablette, der anderen geben wir die Zuckerkugel ohne Wirkstoff. Jetzt gibt es aber noch andere Effekte, die sich negativ auf unsere Untersuchung auswirken könnten.

Wenn der Hersteller der Tablette die Ergebnisse auswertet, dann hat er ein bewusstes oder unterbewusstes Interesse, dass seine Tablette auch wirklich hilft. Das kann die Auswertung verfälschen. Auch kann das Wissen, dass ich als Testperson nur eine Zuckerkugel bekommen habe, die Wirkung beeinflussen. Solche Effekte wollen wir minimieren oder noch besser ganz ausschließen.

Der Goldstandard: Die Doppel-blind Studie

In der medizinischen Forschung spricht man dann von einer Doppel-blind Studie. Das bedeutet, dass die Einteilung der Testpersonen in Test- und Placebogruppe (also wer das echte und wer das wirkungslose Medikament bekommt) zufällig erfolgt. Die Testpersonen und die Personen, die die Tabletten verabreichen, wissen nicht, ob es ein Placebo ist oder nicht. Erst die Personen, die die Ergebnisse (also ob die Kopfschmerzen verschwunden sind oder nicht) auswerten, wissen, wer in welcher Gruppe war und wer welches Medikament bekommen hat.

Damit man eine Tablette gegen Kopfschmerzen als wirksam bezeichnen kann, muss der Anteil der Personen, die nach einer Stunde keine Kopfschmerzen mehr hatte, in der Testgruppe (die haben das Medikament mit dem vermuteten Wirkstoff bekommen) größer (in der Wissenschaft spricht man von signifikant größer) sein, als in der Placebogruppe.

In unserem hypothetischen Test haben wir also 5.000 Personen ein Placebo und 5.000 Personen Karls Kopfschmerztablette gegeben. Weder der verabreichende Arzt noch der Testteilnehmer wusste dabei, welche Tablette er vergibt bzw. bekommt. Und die Testteilnehmer haben alle darüber berichtet, ob, und nach welcher Zeit die Kopfschmerzen verschwunden sind.

Wenn unsere Tablette jetzt bei z.B. 67 % zu einem Verschwinden der Schmerzen führte und in der Placebogruppe nur bei 24 % der Fälle von einem Verschwinden der Kopfschmerzen gesprochen wurde, dann haben wir ein wirksames Mittel. Sollte es aber bei 27 % in der Testgruppe und 24 % in der Placebogruppe liegen, dann konnten wir eine Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachweisen. Und genau das meint der eingangs erwähnte Sprecher, wenn er sagt: „Da ist eine Wirkung wissenschaftlich nicht nachgewiesen.“

Es ist also nicht so, dass die Wissenschaftler alles mit ihren Theorien erklären müssen, sondern, speziell in der Medizin, so, dass man versucht aus Beobachtung Wissen zu generieren. Wir wissen z.B. immer noch nicht, wie eine Narkose funktioniert. Nur dass sie funktioniert und wie wir das Narkosemittel dosieren müssen.

Gender – Der Versuch einer Einordnung

Ich bin im Jahr 1982 geboren, ein Kind der 80er und verlebte meine Jugend in den 90ern, geprägt von Bravo und Baywatch, oder in meinem Fall, geprägt von dem White Dwarf und ‘Star Trek The Next Generation’. Ich hatte in meiner Jugend einen Job im produzierenden Gewerbe. Dort spülte ich Kapillarrohre, machte die Qualitätsprüfung von Bauteilen oder schraubte einzelne Komponenten eines Probengebers oder der Optik zusammen. Am Ende kam als Produkt ein chemischer Chromatograf raus.

Ein Mitarbeiter in diesem Unternehmen wollte kein Mann mehr sein. Ich kannte den Herren kaum, ich glaube, er saß oben, in der Softwareentwicklung, während ich unten bei den Arbeitern in der Produktion meinen Dienst verrichtete. Also war der Herr dann eine Dame, kleidete sich entsprechend und wurde, nach allem was ich mitbekam, auch so behandelt. Ob der Herr oder die Dame medizinische Maßnahmen ergriffen hat, um seine Erscheinung über die Garderobe hinweg weiter dem gewünschten Geschlecht anzugleichen, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war das mein erster Kontakt mit dem Thema Transsexualität, wie man in den 90ern noch sagte.

Heute sprechen wir davon, dass man sich sein Gender auswählen kann. Sagen wir zwar nicht so, wir sprechen davon, sich sein Geschlecht aussuchen zu können, meinen aber Gender, wenn es ums Aussuchen geht. Die deutsche Sprache ist da um einen Begriff ärmer als die englische. Im Englischen unterscheidet man zwischen ‘sex’ und ‘gender’. Der erste Begriff meint das biologische Geschlecht, der zweite Begriff meint das, ja was eigentlich? Was bedeutete der immer häufiger gebrauchte Begriff ‘Gender’ und woher kommt er?

Wie wird Gender definiert und woher kommt der Begriff

Nehmen wir einmal eine zeitgenössische Definition und schauen, wie weit wir damit kommen. Auf der Seite Genderdings finden wir folgendes: „„Gender“ ist ein englisches Wort für Geschlecht. Genauer: für das soziale, das gelebte und gefühlte Geschlecht, im Unterschied zu „sex“, dem bei Geburt aufgrund körperlicher Merkmale zugewiesenen Geschlecht.“

Dass das Englische hier zwei Begriffe hat, wussten wir ja schon. Neu ist jetzt, dass Gender das soziale, gelebte und gefühlte Geschlecht meint. Alternativ kann man auch von Geschlechtsidentität sprechen, wie wir weiter unten auf der Seite finden. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang dann immer schnell ergibt, ist, wie viele Geschlechter oder Geschlechtsidentitäten gibt es denn? Wir erfahren, viele, sehr viele, auf jeden Fall mehr als zwei und vielleicht so viele wie es Menschen gibt. Wir kommen später nochmal auf die Geschlechtsidentität und ihre Anzahl.

Aber woher kommt der Begriff Gender denn nun? Im Englischen, so habe ich es noch gelernt, steht Gender seit Jahrzehnten nur für das grammatikalische Geschlecht von Wörtern. Im Deutschen ist der Ausdruck dafür das Genus. Erst 1955 wird der Begriff für die Geschlechtsidentität benutzt. Und zwar von einem Mann namens John Money (er hatte auch die Begriffe Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen eingeführt).

Er meinte damit ein soziales Geschlecht, das von dem biologischen Geschlecht unterschiedliche sein könne. Frei nach Simone de Beauvoir, die schrieb, zu einer Frau wird man gemacht, ging Money davon aus, dass unsere Geschlechtsidentität ein soziales Konstrukt ist. In seiner Vorstellung reduziert die Gesellschaft die Diversität der Geschlechter künstlich oder konstruiert auf lediglich zwei, männlich und weiblich. Weiter war er der Überzeugung, dass man einen Jungen nur durch Erziehung zu einem Jungen macht.

Der Fall Bruce/Brenda oder John/Joan

Money bekam auch eines Tages die Chance, seine Theorie zu testen. Die Familie Reimer kam zu ihm mit ihrem Sohn Bruce. Er hatte eine Vorhautverengung und bei dem Versuch diese zu beheben war der Penis irreparabel beschädigt worden. Money sah seine Chance und empfahl der Familie die Kastration und den rudimentären Aufbau weiblicher Genitalien und die Erziehung von Bruce als Brenda, also als Mädchen. Wichtig dabei sei, dass Bruce/Brenda niemals erfahren dürfe, dass er eigentlich, zumindest biologisch, einmal ein Junge gewesen ist.

Bruce bekam ab dem 12. Lebensjahr weibliche Hormone. Interessant war auch, dass Bruce einen Zwillingsbruder hatte. Es wurden auch jährliche Termine vereinbart, in denen Money die Kinder untersuchte und den Fortschritt dokumentierte. Money war eine Koryphäe auf seinem Gebiet und veröffentlichte Arbeiten über seinen erfolgreichen Beweis, dass ein Junge einfach zu einem Mädchen werden konnte, wie zum Beispiel „Transsexualism and Sex Reassignment“ im Jahr 1969.

In der Literatur wurde der Fall als „John/Joan“ berühmt, so nannte Money Bruce/Brenda in seinen Werken. Dafür war nur notwendig, dass man ihn als Mädchen behandelt, die Geschlechtsteile angleicht und ihm Hormone gibt. Diese Erkenntnisse wurden über Jahrzehnte so an den unterschiedlichen Universitäten unterrichtet und sind die Basis für die heutigen Forderungen, die unter anderem in Deutschen Selbstbestimmungsgesetz Eingang gefunden haben.

Aber was wurde tatsächlich aus Bruce? Erst 1997 wurde in „Archives of Adolescent and Pediatric Medicine“ bekannt, dass das Experiment gescheitert war. Brenda benahm sich nie wie ein Mädchen, sie interessierte sich nicht für Puppen und Schmuck, sondern für das Spielzeug ihres Bruders, Autos und Waffen. Sie tobte und raufte und wollte nur Hosen tragen. Sie wollte auch nie im Sitzen urinieren. Erst mit 14 fand sie heraus, dass sie einmal ein Junge war und machte daraufhin die Geschlechtsumwandlung rückgängig.

Es wurde auch bekannt, warum die Kinder nie zu den Terminen zur Untersuchung in die Johns Hopkins Gender Identity Clinic zu Dr. Money fahren wollten. Er hatte die beiden über Jahre hinweg sexuell missbraucht. Money vertrat auch andere krude Ideen, um freundlich zu bleiben, wie die „sexuelle Schulung und Erziehung von Kindern“. Ich gehe an der Stelle nicht genauer darauf ein, was er damit konkret meinte. Der Bruder von Bruce/Brenda starb 2002 an einer Überdosis Medikamenten und Bruce/Brenda nahm sich im Jahr 2004 das Leben. Seine Mutter sprach davon, dass ohne John Money und sein gescheitertes Experiment ihr Sohn noch am Leben wäre.

Gender vs Geschlecht

Der Ursprung des Wortes Gender und der Idee, man könne einfach sein soziales Geschlecht wechseln, geht also auf eine, gelinde gesagt, dubiose Figur, John Money, und ein gescheitertes Experiment zurück. Aber machen wir mal weiter bei dem Versuch den Begriff und seine Definition genauer zu verstehen. Gender meint also das soziale Geschlecht oder die Geschlechtsidentität und kann vom biologischen Geschlecht abweichen. Nehmen wir uns kurz die Zeit und rekapitulieren, was das biologische Geschlecht ist und meint.

Lebewesen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, Prokaryonten und Eukaryonten. Eukaryonten haben einen Zellkern, Prokaryonten haben keinen Zellkern. Die Eukaryonten (Pflanzen, Tiere und Pilze) pflanzen sich geschlechtlich oder sexuell fort. Dabei wird die DNA von zwei Organismen kombiniert und es entsteht eine neue einmalige DNA. Ein Teil steuert dabei größere Keimzellen bei, auch Eizellen genannt, und wird als weiblich bezeichnet, und ein anderer Organismus steuert kleinere Keimzellen, oder Samenzellen, bei und wird männlich genannt. Ein anderes Geschlecht gibt es nicht.

Neben dem klar binären biologischen Geschlecht soll also die Geschlechtsidentität abweichen können und alles andere als binär sein. Die Frage, die sich aber an dieser Stelle stellt, ist, wie unterscheidet sich die Geschlechtsidentität von der Identität? Es ist klar, dass es so viele Identitäten gibt, wie es Menschen gibt. Und es ist auch klar, dass ein Teil der Identität die individuelle Sexualität ist. Was ist aber die Geschlechtsidentität? Ist es der Teil der Identität, der sich mit der Sexualität als allem rund um das Thema Geschlecht und Fortpflanzung dreht? Es scheint nicht einfach zu sein.

Genderdings widerspricht sich in dem Begriff Wirrwarr schnell selbst.
An einer Stelle finden wir: „Der Begriff ‚Gender‘ wird … genutzt: Immer dann, wenn es um das soziale Geschlecht und um Geschlechtsidentität … geht.“,
also Gender=Geschlechtsidentität/soziales Geschlecht. Oder Gender=Geschlechtsidentität,
dann finden wir: „Mit dem sozialen Geschlecht sind Geschlechterrollen gemeint.“,
also Gender= Geschlechtsidentität/soziales Geschlecht=Geschlechterrollen oder Gender=Geschlechterrollen,
und dann finden wir: „Geschlechtsidentität ist nicht das gleiche, wie Geschlechterrollen.“,
also Gender= Geschlechtsidentität ≠ Geschlechterrollen= Gender oder Gender≠Gender.

Nehmen wir, um wenigstens weiter machen zu können, trotz all der Verwirrung den Begriff Geschlechtsidentität. Damit Gender als Geschlechtsidentität aber einen Zweck erfüllt, kann sie nicht identisch sein mit der Identität, sonst wäre der Begriff überflüssig. Nehmen wir also an, dass Gender die Geschlechtsidentität als Teil der Identität meint, der alles beinhaltet, was mit Sexualität und Geschlechtlichkeit zu tun hat, ohne diese Begriffe weiter zu beleuchten. So weit würde sich keiner daran stören. Ich denke, es ist offensichtliche, dass jeder Mensch eine individuelle Sexualität hat oder eben seine eigene Geschlechtsidentität bzw. eben Gender.

Freie Wahl bei der Identität?

Jetzt ist aber die Vorstellung, dass man sich seine Geschlechtsidentität frei wählen kann, eng mit dem Begriff Gender verbunden. Grundlage hierfür ist die Theorie von John Money, die im ersten Experiment bereits gescheitert war (zugegeben, Experimente mit einer Grundgesamtheit von N=1 sind nicht sonderlich aussagekräftig). Übertragen wir das Konzept doch mal auf andere Bereich der Identität wie meine Präferenzen bei Essen. Kann ich frei wählen, was ich für Speisen ich mag? Können Sie das, werter Leser? Die einfache Beobachtung des Alltags zeigt, dass man das nicht kann. Jeder mit einem Wunsch nach einer schlanken Figur würde seine Leidenschaft für Schokolade einfach gegen eine Leidenschaft für Gurken tauschen.

Ebenfalls in den 90ern wurde ich so erzogen, dass Homosexualität angeboren ist und wir Menschen so akzeptieren müssen wie sie sind. Eine versuchte Umerziehung von Homosexuellen verstößt gegen die Menschenwürde. Und das war damals und auch heute noch durchaus Thema. Speziell fundamentale Christen sind davon überzeugt, dass man Homosexualität „heilen“ kann. Tatsächlich kann ich nicht wählen, zu welchem Geschlecht ich mich hingezogen fühle. Der Mensch kann auch nicht wählen, welche Merkmale oder Praktiken er sexuell als anregend empfindet und welche nicht. Das alles ist Teil der sexuellen Selbstempfindung und somit auch Teil der Geschlechtsidentität oder Teil von Gender.

Wie ist es aber mit dem Kollegen aus dem produzierenden Gewerbe aus der Anekdote in der Einleitung? Hat er sein Schicksal selbst gewählt? Ich denke nicht. Ich hatte einmal ein Gespräch mit einem Homosexuellen, der anmerkte, dass, wenn er die Wahl hätte, dann hätte er ein normales Leben gewählt. Es ist klar, dass es Menschen gibt, die sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen. Es ist darüber hinaus auch klar, dass es Menschen gibt, die sich mit dem eigenen biologischen Geschlecht unwohl fühlen. Beides bedeutet aber nicht, dass sich jeder sein Geschlecht oder seine sexuelle Präferenz frei wählen kann.

Eine sogenannte Geschlechtsinkongruenz oder Geschlechtsdysphorie muss klar diagnostiziert werden. Nicht jeder Heranwachsende, der in seiner Pubertät ein Unwohlsein gegenüber der eigenen Geschlechtsidentität entwickelt, ist automatisch im falschen Körper. Studien zeigen, dass über 80 % der Jugendlichen im späteren erwachsenen Leben das Unwohlsein ablegen. Ein Großteil davon erweist sich als Homosexuelle. Für Personen mit einer Geschlechtsinkongruenz sind unterschiedliche Behandlungen sinnvoll und hilfreich. Für Personen, deren Ursache für das empfundenen Unwohlsein mit der eigenen Geschlechtsidentität woanders liegt, sind die gleichen Behandlungen jedoch schädlich und gefährlich.

Gender meint also den Teil der Identität, der die eigene Sexualität und die eigene Geschlechtlichkeit beinhaltet. Die Vorstellung, dass man diese frei wählen könne, steht nicht in Übereinkunft, mit allem was wir von Identität wissen und im Alltag erleben. Weiter heißt das aber nicht, dass es keine Geschlechtsinkongruenz gibt, und dass man diese nicht mit z.B. Hormonen behandeln sollte. Nur vor der Behandlung, die irreversible Folgen wie Zeugungsunfähigkeit oder Unfruchtbarkeit haben kann oder einer Operation (deren Fehlerquote je nach Quelle mit 30 % bis 60 % angegeben wird) sollte eine klare psychologische Diagnose stehen, um sicherzustellen, dass die Behandlung auch die Ursache des empfundenen Unwohlseins bekämpft.

Jack Johnson, Mark Aurel und Opfermentalität

Kennen Sie Jack Johnson, den schwarzen Boxer, den der damalige Präsident Trump 2018 begnadigt hat? Er fügte sich nie in die Rolle als Opfer, die die Gesellschaft ihm aufbürden wollte. Johnson war verurteilt worden, weil er eine weiße Frau aus unmoralischen Gründen über eine Staatsgrenze gebracht hatte. Das ist nach dem Mann Act illegal. Johnson dominierte über Jahre das Schwergewichtsboxen und war über 10 Jahre lang unbesiegt. Johnson gilt als einer der einflussreichsten Boxer der Geschichte und das, obwohl er in einer Zeit von massivem Rassismus aufwuchs.

Von 1878 lebte er bis zu seinem Tod bei einem Autounfall 1946. Er war mit einer weißen Frau verheiratet und besaß ein Restaurant und einen Nachtclub und verdiente ein Vermögen durch Werbung.

Ich denke, wir können uns schnell einigen, dass es Anfang des 20ten Jahrhunderts mehr Rassismus in den Vereinigten Staaten gab als 120 Jahre später. Das N-Wort war nicht verpönt und bedeutete die öffentliche Untragbarkeit für jeden Weißen, der es benutzte. Es war die normale Bezeichnung für Afroamerikaner zu dieser Zeit. Man kann Johnson sicher so Manches vorwerfen, aber sicher keine Opfermentalität. Er zählt, nicht nur wegen seiner Erfolge im Boxen, sondern auch wegen seiner unbeugsamen Persönlichkeit nicht nur zu meinen Vorbildern, sondern war auch das Vorbild für Muhammed Ali. Ein weiterer Schwarzer, der sich weigerte, sich in die Opferrolle einzufügen.

Leider ist diese Mentalität im aktuellen Zeitgeist am Aussterben. Stattdessen wird von vielen Angehörigen unterschiedlicher Minderheiten der Opferstatus eingefordert und gepflegt. Es werden veraltetete Konzepte wie Sippenhaft bemüht, um Reparationen für die Sklaverei von Schwarzen zu fordern. Selbst in Deutschland wird immer häufiger unsere Schuld durch den Kolonialismus betont. Rein geschichtlich muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass von allen Kolonialmächten, die in Afrika tätig waren, die Deutschen eher geringen Einfluss hatten.

Auch heute noch Opfer von rassistischen Vorurteilen

Jeder, der sich im Ansatz mit Selbstverbesserung auseinandergesetzt hat, weiß, dass einer der entscheidenden Faktoren das Selbstbild und Selbstvertrauen ist. Durch die ständige Betonung der eigenen Hilflosigkeit und Opferrolle verhindert man durchaus effektiv eine positive Entwicklung. Bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch. Bezogen auf Abstammung und Rasse, oder allgemein Herkunft, existieren tatsächliche Nachteile. Mehrere Untersuchungen haben erwiesen, dass Mitbürger in Deutschland z.B. weniger häufig zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, wenn sie über einen arabisch oder türkischen Namen verfügen. Es gibt aber auch andere Vornamen, die zu einer Ungleichbehandlung führen, siehe Kevinismus.

Es gibt durchaus Erklärungen für dieses Verhalten. Dabei ist aber zu beachten, dass es Erklärungen sind, keine Rechtfertigungen. Die Erklärung, warum jemand ein Verbrechen begangen hat, ist ja auch keine Entlastung, sondern ist als Motiv teil der Beweisführung. Sieht man sich die Leistungen der Schüler mit Migrationshintergrund in den PISA oder arabische Länder in der TIMSS Studie an, wird es verständlicher, woher das Vorurteil kommt. Ob es bei Kevin oder Chantal ähnlich aussieht, entzieht sich meiner Kenntnis.

Markus Aurelius und die Stoa

Auch kein Opfer Markus Aurelius

Vielen ist sicher der Film Gladiator aus dem Jahr 2000 von Ridley Scott bekannt. In einer der ersten Szenen wird Markus Aurelius von seinem Sohn ermordet. Was weit weniger wissen dürfte, ist das besagter Markus Aurelius, eines der einflussreicheren Bücher der Philosophie geschrieben hat, die Metamorphosen. Dabei handelt es sich weniger um ein wirkliches Buch. Die Metamorphosen sind das Tagebuch des römischen Kaisers, in dem er sich mit der Entwicklung seiner Persönlichkeit beschäftigt. Er war Anhänger einer alten Philosophie, der Stoa.

Die Stoa, oder bekannter, der Stoizismus, strebt ein tugendhaftes Leben an. Vereinfacht gesagt empfiehlt der Stoizismus, sich auf das zu konzentrieren, was im eigenen Einflussbereich liegt. Der Spruch „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, dass eine vom anderen zu unterscheiden.“ trifft den Kern des Stoizismus ganz gut. Die Tugenden dieser Philosophie sind Mut, Bescheidenheit, Gerechtigkeit und Weisheit. Viele moderne Therapien und Ansätze zur Selbstverbesserung beruhen auf den Ideen der Stoa.

Was hat das jetzt nun wieder mit der Opfermentalität zu tun, werden Sie jetzt berechtigterweise fragen. Ich antworte mit einem anderen Zitat, diesmal von J.R.R. Tolkien: “I wish it need not have happened in my time,“ said Frodo. „So do I,“ said Gandalf, „and so do all who live to see such times. But that is not for them to decide. All we have to decide is what to do with the time that is given us.”

„Ich wünschte, es hätte nicht zu meiner Zeit geschehen müssen“, sagte Frodo. „Das wünsche ich mir auch“, sagte Gandalf, „und das wünschen sich alle, die solche Zeiten erleben. Aber es ist nicht an ihnen, das zu entscheiden. Wir müssen nur entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist.“

Sinngemäß schreibt Tolkien hier, dass wir uns die Zeit, in der wir leben, nicht aussuchen können, wir können nur versuchen, das Beste daraus zu machen. Das ist auch Inhalt der Stoa. Vieles, was unser Leben beeinflusst, können wir nicht ändern. Das Wetter, als einfaches Beispiel, oder die Reaktion von anderen Menschen auf uns. Eine falsche Interpretation der Stoa ist, dass wir diese Dinge sprichwörtlich stoisch durchstehen sollten. Darum geht es aber nicht. Wir sollten versuchen, unser Verhalten oder unsere Einstellung bezüglich dieser Dinge zu verändern. Das, was wir am besten in unserem Leben beeinflussen können, sind wir selbst.

Die Alternative zur Opfermentalität

Um hier wieder ein Missverständnis zu vermeiden, möchte ich klarstellen, dass ich überzeugt davon bin, dass einem als Schwarzer heute in Ländern wie den USA oder Deutschland immer noch Rassismus begegnet. Und dieser Rassismus hat auch einen wahrnehmbaren Nachteil für reale Menschen. Aber ich bin auch überzeugt davon, dass jeder Mensch mit Nachteilen zu kämpfen hat, die er nicht verändern kann. Wir haben nun die Wahl, wie wir damit umgehen. Finden wir uns mit der Opferrolle ab, in die uns der Zeitgeist zwingen will, oder werden wir zu einem Jack Johnson? Suchen wir im Geist in jedem Moment und in jedem Satz die Diskriminierung oder werden wir zu Menschen, die ihren Charakter entwickeln und sich selbst im Griff haben?

Ein weiter Anhänger der Stoa, Epitetk, formulierte es so: „Jede Person, die dich verärgern kann, wird dein Meister“ und Bruce Lee, ein weiterer Kampfkünstler, formulierte es so: „Bete nicht um ein einfaches Leben, bete um die Kraft ein hartes Leben zu ertragen“. Wir sollten weiter daran arbeiten, Vorurteile abzubauen und besser mit den Unterschieden anderer leben zu können. Wichtiger ist aber für jeden Menschen der Fokus auf die eigene Selbstverbesserung und nicht auf die Stellen, an denen ich noch Opfer bin. Denn wer diese Sucht, wird sie immer finden, auch wenn sie vielleicht gar nicht da sind.

Rassismus und Sklaverei hängen zusammen, aber ganz anders als Sie denken …

Meine Kindheit verlebte ich in einem kleinen Dorf in den Südstaaten der Bundesrepublik. Rassismus war erstmal weniger ein Thema. Meine kindlichen Kontakte zu Menschen einer anderen Ethnie beschränkten sich auf einen Türken in meiner Grundschule, Yakup, einen Italiener in meiner Straße, Mathias, und einen Schwarzen, Chico, in unserem Dorf. Mit Yakup in der Grundschule bestand eine gewisse Irritation. Seine Kleidung war anders und er sprach nur schlecht oder gar nicht deutsch. Mathias war von einem indigenen deutschen Kind nur schwer zu unterscheiden. Bei Chico war der Unterschied für alle sichtbar.

Der dörfliche Störenfried meiner Generation fand dann auch immer die richtigen, also falschen, Beleidigungen. Ich war damals dann etwas naiv irritiert, warum ich die Hautfarbe nicht zum Gegenstand einer Beleidigung machen durfte, wohl aber Größe (du Zwerg), Umfang (Speckwampe) oder geistige Kapazität (Dummkopf). Außerdem war es für mich normal, dass es Schwarze gab und beim täglichen Rollenspielen mit Freunden wählte sich jeder auch ab und an einen Schwarzen aus dem damaligen Cartoon Programm, den er dann mehr oder weniger darstellte, als wir durch Wald und über Felder tobten.

Meine Mutter erklärte mir das Konzept, dass man das nicht mache, einen Schwarzen „Choko-Crossie“ zu nennen. Das sei rassistisch. Ich akzeptierte es und von da an war es tabu, die Hautfarbe oder Herkunft in Beleidigungen einzubauen. Zudem blickte ich zu Chico auf, er war älter, größer und irgendwie cool. Aber was ist denn nun Rassismus?

Der Begriff der Rasse

Als Erstes stolpert man über den Begriff „Rasse“. Dem Zeitgeist entsprechend gibt es keine Rassen beim Menschen. Nun führt uns das aber nicht weiter. Denn es gibt eindeutige phänotypische (äußere) Merkmale, die Menschen unterschiedlicher Abstammung klar kategorisierbar machen. Ein Japaner sieht eben aus wie ein Japaner und nicht wie eine Aborigine (australischer Ureinwohner).

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Verteilung der Laktoseintoleranz weltweit (nmi Portal)

Darüber hinaus gibt es auch klare genetische Unterschiede, die vom Erbgut abhängen. Laktoseintoleranz hat in Europa einen Anteil von ca. 30 % in Asien liegt der Anteil bei ca. 70 %. Also versucht der Begriff „Rasse“ nur eine Bezeichnung für die Kategorie zu finden, in die wir Menschen anhand ihrer offensichtlichen Abstammung zuordnen können.

An anderer Stelle werde ich mich noch mit Pinkers Euphemismus Tretmühle beschäftigen. Wir können also den Begriff der „Rasse“ ersetzen durch Ethnie oder Volk oder Abstammungsgemeinschaft oder andere Begriffe. Der Tatsache, dass eine klare Benennung der Kategorie notwendig ist, entkommen wir so nicht. Um dem Begriff des „Rassismus“ treu zu bleiben, nutze ich im Weiteren auch den Begriff „Rasse“.

Das Merkmal der “Rasse” (meist die Haut- und Haarfarbe sowie der Knorpel- und Knochenwuchs im Gesicht) wird bei Rassismus herangezogen, um Zugehörige einer anderen Rasse herabzuwerten. Dazu werden unterschiedlichen Rassen unterschiedliche Eigenschaften quasi genetisch zugeordnet, denen das einzelne Individuum dann nicht entkommen kann. 

Moderne Definition von Rassismus

In der jüngsten Zeit hat sich in diese Definition aber der postmoderne, neomarxistische Zeitgeist eingeschlichen. Entscheidend für Rassismus ist neben der ethnischen Herkunft, die Stellung der Gruppierung in der Gesellschaft. Nur gegen Minderheiten kann Rassismus existieren. Die Definition der Amadeu Antonio Stiftung sieht zum Beispiel vor, dass nur nicht-weiße Menschen oder offensichtlich nicht-Deutsche Menschen Opfer von Rassismus werden können. Eine steile These. Nach dieser Definition wird es schwierig, rassistische Ereignisse in der jüngeren deutschen Vergangenheit auch als Rassismus einzuordnen.

Viele Juden im dritten Reich sahen sich als Deutsche und waren sogar ausgemachte Patrioten und teilweise Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg. Das war unter anderen auch ein Grund für so manchen, Deutschland nicht zu verlassen. Es geht bei dieser modernen Definition darum, weg von individuellen Rechten zu kommen, die im Grundgesetz schon verankert sind, hin zu Rechten für Gruppen und Identitätspolitik. Dabei ist die Debatte stark von den USA beeinflusst. Man liest selbst bei der deutschen Antidiskriminierungsstelle immer von PoC oder People of Colour. Und in den USA wird der heutige Rassismus gegen Schwarze mit der Sklaverei begründet.

Aber was hat speziell die Sklaverei mit Rassismus zu tun? Nun, der offensichtliche oder zumindest scheinbar offensichtliche Zusammenhang ist der, dass die weißen Menschen die, als untergeordnet wahrgenommenen, schwarzen Menschen versklavt haben. Also der Grund für die Versklavung, oder einer der Hauptgründe, war der Rassismus.

Überblick Sklaverei

Gehen wir kurz ein bisschen genauer auf die Sklaverei ein, bevor wir wieder auf den Zusammenhang mit Rassismus zurückkommen. Seit Anbeginn der Zivilisation waren die Gesellschaften stark hierarchisch organisiert. An der Spitze stand ein Häuptling, König oder Kaiser, danach folgten meist die Jäger, Krieger oder Ritter, später noch anderes Stände, wie Handwerker, Händler, Bauern und Bürger und ganz unten fand man die Sklaven. Dabei spielte Hautfarbe keine Rolle. Die Mobilität der damaligen Bevölkerung war so gering, dass eine Migration über die“Hautfarbengrenze“ hinaus die absolute Ausnahme darstellte.

Schwarz versklavte Schwarz, Weiß versklavte Weiß und so weiter. Der Begriff Sklave leitet sich tatsächlich vom Volk der Slaven ab. Es gab auch wenig bis keine Versuche der Philosophen, Propheten oder Priester, die Sklaverei in irgendeiner Form moralisch zu rechtfertigen, außer Aristoteles vielleicht. Es war einfach normal, dass Menschen nicht gleich waren und eben einige ganz unten und andere ganz oben waren. Ein Auf- oder Abstieg war möglich, jedoch schwierig und sehr selten. Vor allem der Aufstieg, der Abstieg, auch zum Sklaven, war leichter. Die Vorstellung „Ich habe gewonnen, könnte dich jetzt töten, tue es aber nicht, und deswegen gehörst du jetzt mir“, entbehrt ja auch nicht einer gewissen barbarischen Logik.

Die ersten Versuche, die Sklaverei zu rechtfertigen, stammen aus dem Süden der Vereinigten Staaten. Ab dem 16ten Jahrhundert wurden Sklaven aus Westafrika in die Amerikas verschifft. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es keinesfalls die Weißen waren, die afrikanischen Boden betraten, dort Sklaven jagten, und diese dann verschifften. Es dauerte noch bis ins 19te Jahrhundert, bis Weiße Afrika sicher betreten konnten, ohne binnen wenigen Wochen an Malaria oder anderen Tropenkrankheiten einzugehen.

Vielmehr gingen die Schiffe weit vor der Küste vor Anker, da es keine schiffbaren Häfen in Westafrika gab, und setzten in Booten über. Am Strand fand dann der Handel mit den ebenfalls schwarzen Händler statt. Viele afrikanische Völker bauten ihren Wohlstand auf der Sklavenjagd und dem Sklavenhandel auf, wie z.B. das Königreich Dahomey oder Benin. Von den in die Amerikas verschifften Sklaven gingen knapp 40 % nach Brasilien, 35 % auf die karibischen Inseln, 18 % nach Mittelamerika und der kleinste Teil mit knapp 10 % nach Nordamerika auf die Plantagen der Südstaaten. Insgesamt geht man von ca. 12 Mio. Sklaven aus, die auf diesem Wege verschifft wurden. Der kleinste Teil davon in die Südstaaten.

Wenn es um Rassismus gegen Schwarze geht, sprechen wir aber nicht über die Regionen, die den meisten Anteil der verschleppten Westafrikaner abbekamen, wie Brasilien oder die karibischen Inseln. Wir sprechen immer nur von den Südstaaten der USA, die doch nur 10 % der Sklaven erhielten, also in Summe wahrscheinlich etwas mehr als 1 Mio. Menschen über einen Zeitraum von über 200 Jahren. Warum ist das so?

Zusammenhang Sklaverei und Rassismus

Thomas Sowell liefert eine Erklärung in seinem Buch „Black Rednecks and White Liberals“. Die Sklaven in den Südstaaten trafen ab 1776 auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Diese besagt klar: “all men are created equal”, alle Menschen sind gleich erschaffen. Keine der anderen Nationen, die westafrikanische Sklaven aufnahmen, war eine Demokratie oder gestand seinen Einwohner individuelle Rechte in einem solchen Ausmaß zu. Es entstand also in den USA zum ersten Mal in der Geschichte die Situation, die es notwendig machte, die Sklaverei moralisch zu begründen.

Die einzige Lösung Sklaverei und “alle Menschen sind gleich” unter einen Hut zu bringen war: Sklaven (in den USA fast ausschließlich Schwarze) sind keine wirklichen Menschen. Damit war ein wichtiger Baustein für den biologischen Rassismus gelegt. Die Vorstellung, es gäbe echte Menschen und niedere Rassen. Aufbauend auf dieser Grundlage wurden diese Vorstellungen Anfang des 20. Jahrhunderts weiter verfolgt und führten zu noch mehr Gräuel.

Somit ist also nicht der Rassismus die Ursache für die Sklaverei in den USA, sondern, wenn dann, eher umgekehrt. Erst das Aufeinandertreffen der jahrtausendealten Unsitte der Sklaverei und modernen Menschenrechten in ihren ersten Zügen gebar das Ungetüm Rassismus.

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Wie sieht es heute mit der Sklaverei aus? Leider schlimm. Heute gehen wir davon aus, dass es weltweit noch 40 Mio. Menschen gibt, die in Sklaverei leben, davon ca. 18 % in Subsahara Afrika (Schwarze versklaven Schwarze). Menschenhandel blüht. Der Sklavenmarkt von heute findet allerdings nicht mehr im Sand der westafrikanischen Strände statt, sondern oft im Netz. Speziell Kinder sind davon betroffen. Als Sexarbeiter oder Kindersoldaten müssen sie auch heute noch die Schrecken der Sklaverei ertragen.

Wir sollten uns also weniger darauf konzentrieren, den Westen für seine Gräuel zur Verantwortung zu zeihen, denn es war der Westen, allen voran Großbritannien, die dieser Unsitte zumindest im Westen ein Ende bereitet hatte. Wir sollten uns stattdessen auf die Gegenden konzentrieren, in denen noch heute Menschen geraubt und als Sklaven gehalten werden. Und, um es mit Morgan Freeman zu halten, wir sollten aufhören über Rassismus zu reden und davon absehen eine Opfermentalität zu kultivieren.

8 Gründe, warum ich mich dem Gendern verwehre

Wie Ihnen, werter Leser, spätestens jetzt auffallen sollte, gendere ich nicht. Ich habe die deutsche Sprache, trotz des Hindernisses der Legasthenie, lieben gelernt. Daher liegt es mir am Herzen, ihr treu zu bleiben. Heißt das nun, dass Sie, lieber Leser, automatisch ein Mann sind oder sein müssen, oder ich mich diesem Irrtum blauäugig hingebe? Keineswegs, ich nutze eine sogenannte Funktionsbezeichnung. Ich fasse alle Menschen, die diese Zeilen lesen, ihrer Funktion nach zusammen und verwehre mich somit dem Gendern.

Das bedeutet, ich messe Ihrem Geschlecht oder Ihrer Hautfarbe oder Ihrer Schuhgröße, zumindest in Bezug auf ihre Funktion als Leser, keine wesentliche Bedeutung bei. Trennende Kategorien will ich bewusst vermeiden. Würde ich Leser und Leserin schreiben (oder LeserInnen, Leser:innen etc.), würden manche, vielleicht sogar alle, kurz an der Stelle hängen bleiben. Ich würde so unweigerlich darauf hinweisen, dass es Männer und Frauen gibt, und dass dies scheinbar eine Bedeutung beim Lesen dieser Zeilen hat.

Meine Überzeugung ist aber, dass uns mehr verbindet als uns trennt. Jeder durchlebt das, was ich gerne als die menschliche Erfahrung beschreibe. Wir werden geboren, wachsen auf und entwickeln uns körperlich und geistig zu einer Persönlichkeit, bekommen vielleicht selbst Kinder, und erleben, wie diese die gleichen Erfahrungen durchlaufen, bei denen wir sie begleiten dürfen. Wir bauen Beziehungen zu anderen Menschen auf und erleben deren Schicksal mit und schließlich werden wir älter und verfallen langsam an Körper und Geist und eines Tages tun wir unseren letzten Atemzug. Die Zeit, die uns gegeben ist, sollten wir nicht damit verbringen, bei jeder Gelegenheit darauf zu verweisen, was uns trennt.

Das sind aber nicht die einzigen Gründe, weswegen ich das Gendern ablehne. Um es kurz zu machen, liste ich alle hier kurz auf:

  1. Es ist grammatikalisch nicht korrekt
  2. Die ihm zugrunde liegende Annahme ist nicht bestätigt
  3. Es wirkt trennend, nicht verbindend
  4. Es macht Sprache und damit Kommunikation noch komplizierter
  5. Es ist nur einseitig
  6. Es beraubt der Sprache ihrer Möglichkeiten
  7. Seine Wurzeln sind zutiefst Männerverachtend
  8. Es ist nicht schön

Lassen Sie mich das etwas genauer ausführen.

Die Grammatik des Genderns

Auch die grammatikalische Korrektheit ringt hier und da vielleicht nur ein Lächeln ab. Es ist aber nicht klar, was MitarbeiterInnen sind. Sind damit „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ gemeint? Oder sind „Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen“ gemeint oder nur „Mitarbeiterinnen“? Welchen Artikel hat MitarbeiterInnen? Und wie ist der Genitiv oder Dativ zu bilden? „Des Mitarbeiters“ und „der Mitarbeiterin“ kann nicht gleichzeitig korrekt sein. Und wie wird das Wort mit „-Innen“ gebildet, wenn die weibliche Form mit einem Umlaut gebildet wird oder der letzte Buchstabe fehlt: AnwaltIn, KochIn, BiologeIn, JudeIn? Zusätzlich hört man bei Sprechen nur die weibliche Form.

Ein „Zu Fuß Gehender“ oder ein „Studierender“ ist eine Person, welche im diesem Moment eben jene Tätigkeit ausübt. Steht die Person aber an einer Ampel, sitz auf einer Parkbank oder isst mäßige Lasagne in der Mensa, ist die Bezeichnung grammatikalisch falsch. Jeder Deutschschüler würde dafür einen Fehler angestrichen bekommen.

Auch ist in der deutschen Sprache der Plural der Frauen sprachlich privilegiert. Die Menge der „Lehrer“ enthält alle männlichen und weiblichen Lehrer. Die Menge der „Lehrerinnen“ enthält jedoch nur noch alle weiblichen Lehrer. Um die Menge der männlichen Lehrer zu beschreiben, muss ich mich eben diesem Hilfswort „männlich“ bedienen. Der reine männliche Plural kann also nur mit Hilfe zustande kommen, der weibliche Plural steht für sich allein. Politisch korrekt könnte man sagen, der männliche Plural sei besonders herausgefordert.

Die grundlegende Annahme

Der ganzen Idee liegt die Annahme zugrunde, mit der maskulinen Form werden Frauen nicht mit angesprochen oder höchstens nebenbei mitgemeint. Es gibt einige Untersuchungen, die das zu belegen scheinen. Es ist aber schwierig, in den Untersuchungen den Fokus, der in der letzten Zeit auf diesem Thema liegt, gebührend zu berücksichtigen.

Was meine ich damit? Nun, es gab eine andere Untersuchung, die verdeutlicht, welchen Effekt ich meine oder ausschließen möchte. In dieser Untersuchung wurden scheinbar Frauen für ein Bewerbungsgespräch gesucht (mehr zur Opfermentalität). Diesen Frauen wurden entstellende Narben ins Gesicht geschminkt und gesagt, sie sollen in dem folgenden Bewerbungsgespräch darauf achten, ob sie aufgrund dieser Narben anders oder schlechter behandelt werden. Kurz bevor man die Frauen in das Gespräch schickte, legte man noch einmal letzte Hand an die geschminkten Narben. Ziel sollte sein, zu untersuchen, ob entstellende Narben eine herablassende Behandlung verursachen.

Die Frauen berichteten nach dem Gespräch in großer Zahl von schlechterer Behandlung, ja sogar von direkten Bemerkungen, die sich ihrer Ansicht nach auf die Narben bezogen. Das Experiment wollte aber einen ganz anderen Effekt aufzeigen, als die Frauen dachten. Die Narben wurden beim letzten Hand anlegen tatsächlich entfernt. Die Untersuchung sollte verdeutlichen, dass wir Diskriminierung finden, wenn wir nur danach suchen. Und genau der Effekt kann sich leicht in die Untersuchung einschleichen, die feststellen will, ob sich Frauen mit angesprochen fühlen. Ob ich mich angesprochen fühle oder nicht, hat viel mit mir, meinen Überzeugungen und meiner Erwartung oder Sensibilität zu tun.

Wäre die Annahme korrekt, dass eine neutrale Sprache zu einer besseren Behandlung der Frau im gesellschaftlichen Leben führt, dann würde man ja in Ländern, die eine solche neutrale Sprache haben, zumindest eine ähnliche, eigentlich sogar eine bessere Behandlung der Frau erwarten, als das im deutschen Sprachraum der Fall ist. Türkisch und Arabisch sind beides neutrale Sprachen. Ich lehne mich wahrscheinlich nicht zu weit aus dem Fenster mit der Behauptung, dass Frauen im arabischen Sprachraum keine bessere Behandlung als im deutschen Sprachraum zuteil wird.

Die Vorstellung, das Genus (grammatikalisches Geschlecht) hätte irgendetwas mit dem Sexus (biologischem Geschlecht) zu tun, ist grundfalsch. Die Geisel ist genauso wenig immer eine Frau wie der Flüchtling immer ein Mann ist. Das Mädchen ist Neutrum, und das schon seit mindestens vier Jahrhunderten.

Bei vielen Formulierungen würde selbst heute noch niemand auf die Idee kommen, dass Frauen nicht mitgemeint sind. Etwa die Frage nach der Einwohnerzahl. Keiner würde nur die Männer zählen. Oder, wenn man vom Prager Judenviertel spricht, wird keiner annehmen, dass dort nur Männer lebten.

Es trennt und verbindet nicht

Mit „Alle Insassen des Bootes“ ist eine Gruppe gemeint, deren Mitglieder alle ein gemeinsames Merkmal haben. Ein Merkmal verbindet sprachlich die unterschiedlichen Menschen und macht sie zu einer Einheit. „Die Insassen und Insassinnen“ teilt die Gruppe in zwei. Scheinbar gibt es ein trennendes Merkmal, dass nicht vergessen werden darf. Das Geschlecht. Tatsächlich ist aber in Bezug auf das sich in einem Boot befinden das Geschlecht denkbar irrelevant und die Betonung der Trennung unnötig.

Die Einseitigkeit

Auch suchen wir vergebens nach dem Bestreben gerechterweise männliche Wörter zu finden, für alle Bezeichnungen von Menschen, die im Femininum stehen. „Die Person“ meint ja sicher nur Frauen, genauso wie „die Arbeitskraft“ immer nur weiblich ist. Wie wäre die männliche Form? „Der Personer“ oder „Der Arbeitskrafter“? Und wie wäre die neutrale Formulierung? „Die PersonInnen“ oder „Die ArbeitskraftInnen“?

Besonders Unterhalsam fand ich einen Moderator bei den Öffentlichrechtlichen, der in einer Sendung mehr als einmal (es kann also kein Versprecher gewesen sein) das Wort Krankenschwester genderte. Erstens ist die Korrekte Bezeichnung Krankenpflegerin und zweitens gibt es eine Krankenschesterin in der deutschen Sprache nicht.

Es macht die Sprache noch komplizierter

Deutsch ist als Sprache schwer zu erlernen. Speziell für Menschen aus einem Sprachraum, der andere Schriftzeichen nutzt und keinen Lateinischen oder Germanischen Ursprung hat. Also Asien und der Arabische Raum, um nur zwei zu nennen. Das wird nicht einfacher durch Gendern. Die deutschen Artikel sind auch so schon ein Gräuel für jeden, der Deutsch lernen möchte. Auch bei sinnerfassenden Lesen haben immer mehr Grundschüler Verständnisschwierigkeiten. Überlegen Sie selbst, ob der folgende Satz das Erfassen der Aufgabenstellung begünstigt:

“Eine/r ist Zuhörer/in der/die andere ist Vorleser/in, der/die eine/r liest den Abschnitt vor der/die Zuhörer/in fast das gehörte zusammen.”

Eine einfache Aufgabenstellung für einen Grundschüler, die einem Erwachsenen Probleme beim Verständnis bereitet.

Es macht die Sprache ärmer

Es gibt Aussagen, die ich mit Gendern nicht mehr treffen kann. „Frauen sind die besseren Autofahrer“, oder „Heike und Klaus waren die besten Tänzer des Abends“ sind gegendert nicht mehr von der gleichen Bedeutung oder gleich gänzlich unverständlich. Generell wird durch die ständige Auftrennung der Geschlechter der Fokus einer Aussage verrückt (im wahrsten Sinne des Wortes). Ohne eine gemeinsame Bezeichnung, der Funktion nach, ist der Fokus immer von der eigentlichen Aussage abgewandt

Die männerverachtenden Wurzeln

Der Ursprung der Idee des Genderns stammt aus den 70er Jahren und nannte sich damals „Feministische Sprachkritik“ eine ihrer Urheberinnen und Vertreterinnen, Luise Pusch, schrieb dazu: „Der Mann brauchte dringend eine Abmagerungskur zur Therapie seines immer gefährlicher werdenden Größenwahns“, sie spricht über den „täglichen Genozid durch die Sprache“. Sie begeistert sich für das „schöne, lange Femininum“ und will es gegen das kurze, quasi abgehackte Maskulinum ausspielen, das sie als Schwundform auch Schrumpf-, Reduzierte-, oder Kümmerform bezeichnete. Es scheint ihr nicht nur um eine Gleichbehandlung zu gehen.

Gendern ist nicht schön

Das Argument der Schönheit mag manchen nicht überzeugen. Aber Sprache ist schön. Sie kann uns erheben. Zum Abschluss zitiere ich hier Herrn Dr. Kubelik, der das Ganze besser zusammenfasst als ich es kann (hier in einem Vortrag des Verreins der Deutschen Sprache):

Sprache trägt unser Wissen und ermöglicht uns klare Gedanken. Sie lässt uns urteilen und verhilft uns, Gefühle auszudrücken. Indem wir unseren Wünschen und Sehnsüchten, unseren Freuden und Schmerzen, unseren Ängsten und Erinnerungen Namen geben, verleihen wir ihnen Lebendigkeit und Dauer. Indem wir sagen, was uns glücklich macht und was misslungen ist, was uns ängstigt und was wir hoffen, erschaffen wir eine eigene, greifbare Gegenwart. Ein altertümlicher Ausdruck macht uns längst vergessene Kindheitstage wieder lebendig; ein guter Witz löst uns aus einer inneren Anspannung; eine schöne Formulierung kann uns begeistern und ergreifen, sie kann uns zu Tränen rühren wie Musik oder Malerei. In Augenblick der Freude, der Trauer, des Schmerzes drängen unsere Emotionen nach außen, sie suchen nach Wörtern und werden Sprache. Selbst dann, wenn niemand da ist, der es hören kann. Nur in und mit ihr können wir fordern, drohen und bitten, beten, urteilen und verurteilen, beleidigen, verletzen und trösten, belehren, argumentieren, überzeugen und lügen. So begleitet uns Sprache in fast jedem Augenblick des Lebens, sie gibt uns Orientierung und stiftet unsere Identität.

Sprache und Kommunikation ist schon kompliziert genug, auch, ohne dass wir sie politisieren. Wir wollen uns hier auf das konzentrieren, was uns verbindet, und nicht was uns trennt.

Politisch korrekt oder doch lieber höflich?

Meine Jugend war eher ungewöhnlich. Mein erstes Bier hatte ich mit 22 und meinen ersten Rausch erst mit 20 (Whiskey, falls sich jemand fragt, wer der Urheber war). Meine Freizeit widmete ich ganz dem Thema des Geschichtenerzählens, oder noch besser, des Geschichtenkonsumierens. Ein großer Teil waren Erzähl- oder Rollenspiele. Mein Freundeskreis, der sich diesem Hobby widmete, war dadurch etwas, sagen wir mal, speziell. Wo andere mit 16 auf Partys oder Dorffesten ihre ersten Erfahrungen mit dem ein oder anderen Nervengift sammelten, lagen wir bei einer Übernachtungsaktion bis 4 Uhr morgens wach und diskutierten über amerikanische Wirtschafts- und Außenpolitik (ob das nun politisch korrekt war, vermag ich nicht zu sagen).

Aus dieser Zeit sind mir noch einige grundsätzliche Erkenntnisse in Erinnerung geblieben, die in der ein oder anderen Form bis heute Bestand haben in meinem Weltbild. In einer unserer vielen ausschweifenden Diskussionen vertrat ich die Position, dass in unserer Zeit, es dürfte Ende der 90er gewesen sein, die Emotion gegenüber der Ratio zu stark betont ist. Mir fiel damals schon auf, dass im Diskurs derjenige einen Vorteil hatte, der, tatsächlich oder augenscheinlich, die Fassung verlor oder sich emotional angegriffen zeigte.

Nehmen wir uns doch kurz die Zeit, genauer zu betrachten, was ich damit meine, und warum das gerade im heutigen Zeitgeist eine Rolle spielt. In den meisten Gesprächssituationen, in denen es um ein tatsächliches Thema geht, gibt es eine Seite, die eine Behauptung aufstellt oder eine Aussage trifft, und eine andere Seite, die auf die Behauptung oder Aussage reagiert.

Die erste Seite nennen wir den Sprecher und die zweite Seite den Hörer. Der Sprecher hat einen Gedanken im Kopf, den er versucht, in Worte zu fassen. Der Hörer vernimmt die Worte und verarbeitet diese wiederum im eigenen Verstand und vor dem eigenen Weltbild. Es ist also immer eine Art Flüster Post. Denn es ist alles andere als selbstverständlich, dass der Gedanke des Sprechers auch im Verstand des Hörers ankommt (Jeder, der in einer Ehe lebt, weiß was ich meine).

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Will ich im Gespräch der Wahrheit ein Stück näher kommen, dann ist es nicht zweckdienlich, die Gegenseite so zu beleidigen, dass sie sich dem Gespräch entzieht. Sollte dies dennoch geschehen, so wird ein angenommenes Publikum sich eine Meinung dazu bilden. Also eine Vorstellung davon entwickeln, ob der Rückzug gerechtfertigt ist oder nicht. War der Sprecher hier der Rüpel, der absichtlich versucht eine emotionale Reaktion des Hörers zu provozieren, oder gibt sich der Hörer hier überempfindlich, um den Sprecher als eben solchen Rüpel zu diskreditieren?

In jedem Gespräch werden beide, Sprecher und Hörer, durch ihre Emotion und ihre Ratio getrieben. Oder simpler, wir sind immer sowohl mit dem Bauch als auch mit dem Kopf im Gespräch. Zu einem gewissen Grad kann ich auch versuchen zu beeinflussen, ob ich im Bauch oder im Kopf bin. Beleidigt ein Wildfremder in einem hitzigen Gespräch zum Beispiel meine Familie, kann ich darauf aus dem Bauch reagieren: „Was fällt ihm ein, meine Familie zu beleidigen, das kann ich so nicht stehen lassen!“.

Oder ich reagiere aus dem Kopf: „Er kennt meine Familien nicht, weiß nicht, wovon er spricht und versucht nur mich zu reizen“. Zugegeben ist es zu einem großen Teil dem Temperament geschuldet, wer wann wie reagiert. Aber nicht nur. Und Menschen werden die Aktionen wiederholt anwenden, die ihnen die größten Reaktionen und somit den größten Nutzen versprechen.

Gleiche Verantwortung im Gespräch

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Zurück zu meiner Behauptung, die Emotion wäre überbetont. Es ist sinnvoll, die Verantwortung für einen höflichen Umgang gleich auf Sprecher und Hörer zu verteilen. Der Sprecher sollte bemüht sein, seine Gedanken so zu formulieren, dass das Gegenüber diesen wohlwollend begegnen kann. Der Hörer auf der anderen Seite sollte aber auch bemüht sein, die Aussage des Sprechers so wohlwollend wie möglich aufzufassen.

In meiner Wahrnehmung findet das nicht statt. Tatsächlich ist aktuell die ganze Verantwortung auf der Seite des Sprechers. Mit banalsten Aussagen geht man das Risiko ein, auf die denkbar schlechteste Art, verstanden zu werden. Je sensibler das Thema, desto größer die Gefahr für den Sprecher.

Versuchen Sie über Migration, Gender oder den Klimawandel zu sprechen, ohne auf emotionale Reaktionen zu treffen. Es wäre ja verständlich, dass solche Themen dazu geeignet sind, emotionale Reaktionen hervorzurufen, meist sind diese jedoch die erste und oft auch einzige Reaktion, gefolgt von dem Versuch, den Sprecher auf eine Art zu kategorisieren, die ihn vom Diskurs ausschließt. Ein Beispiel:

Sprecher: „Wir brauchen ein strengeres Einwandveränderungsgesetz.“

Hörer: „Wie kannst Du nur so etwas sagen? Es gibt keine illegalen Menschen. Du bist doch rechtsextrem (oder schlimmere Bezeichnung).“

Migration ist eines der wichtigsten Themen für unser Land, ja für ganz Europa. Der aktuelle Stand unserer Gesprächskultur lässt aber eine Debatte kaum zu. Der Hörer fragt nicht nach: „Wie meinst Du das?“, oder etwas offensiver: „Verstehe ich Dich richtig, dass Du keine Zuwanderung mehr möchtest?“. Im aktuellen Zeitgeist verspricht die emotionale Reaktion zusammen mit einer negativen Kategorisierung, die den Sprecher als möglichst untragbar erscheinen lässt, den größten Nutzen in einer Debatte.

Wir sind, auch dank der seit Jahrzehnten tobenden politischen Korrektheit, nicht mehr gewohnt, stoisch auf Ideen zu reagieren, die unserem Weltbild diametral entgegengesetzt sind. Wir fragen nicht nach und versuchen zu verstehen, wir fühlen uns direkt, oder in Vertretung für andere, verletzt und fordern den Ausschluss des Sprechers. Es ist aber unmöglich, etwas von Bedeutung anzusprechen und den Versuch zu unternehmen, der Wahrheit näherzukommen, ohne dabei andere potenziell zu verletzen.

Stellen Sie sich einen Saal mit Zuhörern vor und auf der Bühne zwei Personen, die eine Diskussion zu einem Thema mit aktueller Relevanz führen sollen, wie z.B. Klimawandel, Gender, Migration, Coronamaßnahmen etc. Wenn es untragbar sein soll, auch nur eine Person in dem Publikum potenziell zu beleidigen oder emotionalen Stress auszusetzen, dann wird eine Diskussion unmöglich.

Politisch Korrekt als quasi Religion

Politisch korrekt als quasi Religion

Schon Stephen Pinker merkte an, dass politische Korrektheit nur in die, von ihm benannte, Euphemismus Tretmühle führt. Wir verbieten oder verhöhnen Begriffe wie „Behindert“ als politisch unkorrekt, nur um dann alle Jahre wieder neue Begriffe finden zu müssen. Können sie mir sagen, wie ich aktuell einen Schwarzen aus Eritrea politisch korrekt bezeichne? Schwarzer ist es, glaube ich, schon nicht mehr.

Der ganze Begriff „politisch korrekt“ ist schon suspekt. Eine Aussage ist korrekt oder nicht korrekt, zumindest außerhalb von Quantenmechanik. Manchmal wissen wir noch nicht, ob korrekt oder nicht korrekt. Welchen Sinn kann das Adjektiv „politisch“ in diesem Zusammenhang erfüllen? Ist etwas korrekt, dann brauche ich kein zusätzliches Adjektiv. Ebenso bei nicht korrekt.

Der einzige Sinn von „politisch korrekt“ ist also entweder Aussagen aus der Menge der korrekten in die Menge der inkorrekten zu verschieben oder umgekehrt. „Schwarzer“ oder „Behinderter“ mag zwar korrekt sein, aber wir verschieben es durch das Adjektiv „politisch“ aus der Menge der korrekten in die Menge der inkorrekten Aussagen. Nur mit dem Ziel, die Emotion nicht zu überlasten.

Da sind wir bei meiner Erkenntnis aus den 90ern. Die Emotion ist überbetont. Es ist uns aktuell wichtiger, wie sich jemand bei einer Aussage fühlen könnte, als die Korrektheit der Aussage selbst. Toleranz hat ein solches Niveau erreicht, dass intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um keine Idioten zu beleidigen oder zu verletzen (fälschlicherweise Dostojewski zugeschrieben).

Daher mein Appell:

Lassen Sie uns höflich sein und wohlwollend zuhören. Lassen Sie uns das Wagnis in Kauf nehmen, anderen auf den Fuß zu steigen, auf dem Weg zur Wahrheit. Und lassen Sie uns endlich die „politische Korrektheit“ wieder auf die „Korrektheit“ reduzieren. Frei nach Christopher Hitchens „Facts don’t care about feelings“. Aber bitte mit Höfflichkeit.

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