Kategorie: Geschichte

Rasse vs Kultur

Der Begriff Rassismus wird heutzutage schnell und an allen kulturellen Fronten ins Feld geführt. Keiner weiß genau, welcher Begriff noch „sicher“ und welcher schon „rassistisch“ ist. Weißt man beispielsweise darauf hin, dass gewisse Einwanderergruppen im Bereich der Gewaltverbrechen stark überrepräsentiert sind, im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil, so macht man sich schnell zum Rassisten. Gleichzeitig dürften Sie aber, werter Leser, schon mehr als einmal die Behauptung gehört haben, es gäbe keine menschlichen Rassen.

Die Annahme ist also scheinbar, dass das Verhalten der Personen durch die Zugehörigkeit zu einer, ja eigentlich nicht existierenden, Rasse zu begründen ist. Gleichzeitig will uns aber der Zeitgeist weismachen, dass geschlechtsspezifisches Verhalten nur gesellschaftlich, also kulturell, konstruiert wurde. Ist es nun Rasse oder Kultur?

Was meint denn eigentlich der Begriff Rasse?

Wenn man versucht sich dem Begriff Rasse zu nähern, stößt man zuerst an mehr als nur einer Stelle auf die Aussage: „Es gibt keine menschlichen Rassen.“ Was fangen wir nun damit an? Mit Rasse, z.B. in Bezug auf Hunde meint man phänotypische (erkennbare) Merkmale. Also Fell, Kopfform, Größe, Farbe und allgemeiner Wuchs. Ebenso ist es bei Pferden. Und wie ist das beim Menschen? Es dürfte jedem sofort klar sein, dass es Unterschiede im Phänotyp gibt, bei Personen, die aus unterschiedlichen Gebieten kommen.

Der wissenschaftlich korrekte Terminus wäre übrigens die Unterart, die wie folgt definiert ist (nach Herrn Ernst Mayr):

„Eine Subspezies(Unterart, Anm.d.Red.) ist die Zusammenfassung phänotypisch ähnlicher Populationen einer Art, die ein geographisches Teilgebiet des Areals der Art bewohnen und sich taxonomisch von anderen Populationen der Art unterscheiden.“ (Quelle)

Wie äußert sich nun aber dieser Unterschied? Als Erstes ist die Hautfarbe ein offensichtliches Merkmal. Menschen aus Regionen mit einer höheren Sonneneinstrahlung haben eine dunklere Hautfarbe und Menschen aus sonnenärmeren Gebieten haben eine hellere Haut. Soweit so uninteressant.

Karte der wahrscheinlichen Hautfarben nach UIV Strahlung
Künstlerische Wiedergabe einer von Nina Jablonski und George Chaplin erstellten Karte, die die voraussichtliche Hautfarbe der menschlichen Ureinwohner verschiedener Regionen auf der Grundlage der ultravioletten Strahlung der Sonne in jeder Region zeigt. Cut-Paper-Illustration von Gail McCormick

Über die Hautfarbe hinaus gibt es aber noch andere Merkmale, die scheinbar stark von der genetischen Herkunft abhängen. Obwohl die Hautfarbe sehr ähnlich ist, unterscheiden sich ein Äthiopier, ein Nigerianer, ein Inder und eine Aborigine den typischen Gesichtszügen, oder dem typischen Körperwuchs nach. Jetzt dürfte sich bei dem ein oder anderen Leser ein ungutes Gefühl im Bauch melden. Darf man das schreiben, dass Menschen aufgrund ihrer Abstammung unterschiedlich sind?

Ich hebe das Ganze kurz auf eine andere Ebene, um diese Frage zu beantworten.

Die Haarfarbe.

Es ist jedem klar, dass gewisse Haarfarben in gewissen Bevölkerungsgruppen nicht vorkommen. Japaner haben eben keine roten Locken und Iren kein schwarzes Kraushaar. Darf man das sagen? Klar, ich glaube, dabei hat kaum einer ein komisches Gefühl im Bauch. Es spielt nämlich keine Rolle, welche Haarfarbe man hat.

Mit der Hautfarbe halte ich es ebenso. Es spielt keine Rolle, welche Hautfarbe man hat. Aber die Hautfarben sind eben, genauso wie die Haarfarben, unterschiedlich. Meiner Meinung nach sollte es auch ebenso akzeptiert sein über Hautfarben zu sprechen wie über Haarfarben. Nur die Vorstellung, dass es eben doch eine Rolle spielen könnte, macht dieses ungute Gefühl. Befreien wir uns also davon und sprechen wie Erwachsene über offensichtliche Dinge.

Vielleicht noch ein kurzer Einwurf. Es könnte sich das Argument aufdrängen, dass Menschen wegen ihrer Hautfarbe herabgewertet wurden. Ja, das ist richtig. Das trifft aber auch auf andere Merkmale zu. Rothaarige Menschen wurden lange Zeit als Außenseiter behandelt und werden es immer noch (z.B. hier, hier oder hier). Der Vergleich ist also nicht so weit hergeholt wie es scheinen mag.

Wo waren wir? Ach ja, bei weiteren unterschiedlichen Merkmalen über die Hautfarbe hinaus. Aus meiner Kindheit und Jugend ist noch ein Brettspiel erhalten, das ich hier gerne anführen würde. Café International. Vergeben wir dem Spiel den Fehler, den viele andere auch machen, nämlich Afrika als Land zu betrachten. In dem Spiel geht es darum, Menschen aus unterschiedlichen Nationen in ein Café zu setzten, nach bestimmten Regeln. Worauf ich hinaus möchte, sind die Zeichnungen der unterschiedlichen Nationen.

Natürlich wird hier ein Klischee bedient. Der Italiener sieht eben aus, wie man sich einen Klischeeitaliener vorstellt. Sehen alle Italiener so aus? Nein, sicher nicht. Dennoch kennen wir viele Menschen, die eben sehr typisch aussehen für ihr Land oder ihre Abstammung. Es gibt Gesichtszüge, die sehr slawisch, französisch, englisch oder italienisch sind.

Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass Menschen, die sich seit Jahrtausenden einen mehr oder minder begrenzten Genpool teilen, gewisse äußere Merkmale haben (können), die man als typisch für diese Gruppe (oder Rasse oder Ethnie oder Volk) bezeichnen kann. Dabei gibt es durchaus Unterschiede, wie stark der Genpool einzelner Gegenden vermischt wurde. Afrika hat eine viel größere Diversität zwischen den einzelnen Völkern als Europa. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Afrika durch starke geografische Barrieren geprägt ist, die einen Austausch von Genen über die Jahrtausende verhinderten.

Und wie sieht es mit der Kultur aus?

Wie sieht es aber mit dem Begriff Kultur aus, was meinen wir damit und wie können wir uns dieser Idee nähern? Im Ursprung kommt das Wort vom lateinischen Verbum „colere“, welches mit bebauen, pflegen, urbar machen und ausbilden übersetzt werden kann. Von Beginn an meinte man damit sowohl die Kultivierung von Land, oder noch abstrakter der Natur (die den unveränderten Gegenpol zur Kultur darstellt), als auch die geistige „Bebauung“ oder Pflege der geistigen Güter.

Grundsatz einer Kultur, wie der allgemeine Volksmund sie heute wohl versteht, ist eine gemeinsame Sprache. Jeder Sprache wohnen aber auch die ersten gemeinsamen Ideen und Regeln inne. Wie begrüßt man sich? Wie zählt man in der Sprache? Welche unterschiedlichen Anreden sind gebräuchlich? Welche Redewendungen sind gebräuchlich? Welche ideenbeschreibenden Worte gibt es in dieser Sprache, die es in anderen Sprachen nicht gibt? Was gilt als besonders höflich und was bereits als unhöflich?

Der titelgebende Zeitgeist ist eine Idee der deutschen Sprache und wird in anderen Sprachen verwendet (im Englischen z.B.). Auch Worte wie Doppelgänger, Angst oder Gestalt leihen sich die Angelsachsen. Nach der Sprache kommen dann schon die Dinge, die Eltern ihren Kindern mit den Worten „das macht man nicht“, oder „das macht man so“ vermitteln, und oft nach zwei bis drei „warum“ Fragen des wissbegierigen Nachwuchses ohne Antwort da stehen. Die ersten Regeln und Gepflogenheiten.

Auf diesen Regeln bauen dann festere Verpflichtungen auf, die in der Gesellschaft vorherrschen bis zur obersten normativen Ebene, den Gesetzen. Dann gibt es noch die Frage nach der Schönheit, deren Antwort die Kunst versucht zu geben. Auch hier unterscheiden sich Kulturen voneinander. Teil dieser Kunst, aber auch Teil der vorherrschenden Regeln und Verhaltensweisen, ist auch die Mode. Daneben gibt es dann noch Kulinarik und übliche Freizeitvorlieben.

Fassen wir also kurz zusammen, was Kultur im allgemeinen Verständnis meint: Die Sprache, Regeln, Verhaltensweisen, künstlerischen Vorlieben, Mode, Küche und Freizeitvorlieben, die sich eine, meist geografisch beschränkte, Gruppe an Menschen teilt.

Jetzt zum Komperativ, dem Vergleich, bei Rassen und Kulturen

Was machen wir nun mit unserer schönen begrifflichen Annäherung an die Ideen von Rasse und Kultur? Natürlich machen wir einen Vergleich auf. Vor zweihundert Jahren ging man im wissenschaftlichen Umfeld davon aus, dass Rassen einen Einfluss auf Kultur, speziell Werte und Gepflogenheiten haben und, dass sich darauf basierend eine Rangfolge von höherwertigen Rassen und geringerwertigen Rassen formulieren kann. Die Rassenlehre, die ihren Ursprung zum Teil im philosophischen Aufeinandertreffen von individuellen Rechten und Sklaverei hatte.

Die Rassenlehre erwies sich als komplett falsch. Leider leitete sich vor dieser Erkenntnis der Rassismus, also eine politische Idee, aus der Rassenlehre ab. Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen wurde die Idee entwickelt, dass es zum Kampf der Rassen um diese Ressourcen kommen würde (eine Art globaler Sozialismus, der im Kleinen ja nur den Klassenkampf beschwört). Der nationale Sozialismus versuchte diesem Problem zu begegnen, mit grauenhaften Konsequenzen (wie immer bei den unterschiedlichenSozialismen…).

Anders als bei der Rasse können wir schnell zeigen, dass es Kulturen gibt, die „besser“ sind als andere. Dazu müssen wir aber kurz das „besser“ genauer betrachten. Ich bringe schon meinen Kindern, sehr zu deren Unzufriedenheit bei, dass wir eine Frage nach dem „Besser“ nur unter festen Kriterien beantworten können. Ist es besser, ein Schnitzel oder einen Salat zu essen? Nun, unter der Kategorie „Kalorien sparen, um abzunehmen“ wohl der Salat, unter der Kategorie „schnell viele Nährstoffe zu sich nehmen“ wohl das Schnitzel.

Was heißt also „besser“ in Bezug auf Kultur? Meist meinen wir damit wohl Kulturen, in denen sich Individuen ohne äußeren Zwang entfalten können. Zugegeben, das ist eine westliche Sicht auf die Dinge, aber ich bin nun mal ein Mann des Westens. Vor dem Kriterium können wir aber klar Kulturen ausmachen, die schlechter sind als andere. Ich nehme einfach ein krasses Beispiel, um das zu verdeutlichen: Eine Kultur, in der Homosexuelle als Verbrecher verurteilt und an Baukränen aufgehängt werden, ist schlechter (was zwanglose Entfaltung angeht) als eine Kultur, in der Homosexuelle in der Öffentlichkeit sichtbar Zärtlichkeiten (Damit meine nichts, was über Bussi oder Händchenhalten hinausgeht) austauschen können, ohne Aufsehen zu erregen.

Natürlich kann man meine Prämisse der „zwanglosen Entfaltung“ angreifen. Das werde ich sicher an anderer Stelle auch nochmal aufgreifen. Dann steigen wir aber in die Tiefen der Moralphilosophie ab. Das hat durchaus seinen Reiz, führt aber an der Stelle zu weit. Bleiben wir also vorerst bei der Prämisse, um die Überlegung nach dem „Besser“ weiter verfolgen zu können.

Jeder Kultur wohnt eine Vorstellung davon inne, was gut ist. Genauer gesagt könnte man in jeder Kultur ein Ideal formulieren, dem man sich annähert, wenn man ein besonders vollkommener Vertreter der jeweiligen kulturellen Werte ist oder sein will. Vor dieser Annahme gibt es aus der Sicht einer jeden Kultur ein „Besser“ oder „Schlechter“ im Bezug auf andere Kulturen. Simpel ausgedrückt geht es dabei darum, wie gut die kulturellen Werte der einen Kultur auch von den kulturellen Werten der anderen Kultur vertreten werden.

Das ist übrigens unabhängig von der genetischen Herkunft möglich. Ich erinnere mich noch an die Dokumentation zur WM 2010 in Deutschland, in der Spieler scherzhaft darauf hinwiesen, das David Odonkor der deutscheste von ihnen wäre und sie ihn deswegen ab und an „Helmut“ nannten. Auch aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich Personen die eindeutig nichtdeutscher genetischer Abstammung sind, aber kulturell deutlich deutscher als ich, also deutlich näher am Ideal (positiv formuliert) oder Klischee (eher weniger positiv formuliert) des Deutschen sind.

Sicherlich gibt es dabei Werte, die für ein Zusammenleben weniger kritisch sind. Ob jetzt eine gewisse Unpünktlichkeit intolerabel oder Ausdruck der persönlichen Freiheit ist, wird zwar nicht ohne Bedeutung für das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen sein, jedoch nicht zu Bürgerkriegen führen. Bei der Frage, ob Frauen wählen dürfen oder sich ohne männlichen Vormund im öffentlichen Leben bewegen dürfen, tritt schon ein größeres Streitpotential zu Tage.

Im aktuellen Diskurs werden die Begriffe Rasse und Kultur immer wieder durcheinander gewürfelt. Man geht in diversen Wissenschaften sogar von einem Rassismus der Kulturen aus. Es ist aus meiner Sicht unerlässlich die Begriffe sauber zu trennen. Schon alleine deswegen, da man sich für eine Kultur entscheiden, aber die eigene „Rasse“ nicht ändern kann. Ein Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen ist nur dann friedlich möglich, wenn die Ideale dieser Kulturen einen gewissen Deckungsbereich im Kern, also bei den entscheidenden Werten haben. Kulturen, die im Kern keine Gemeinsamkeiten haben, werden nur unter großen gesellschaftlichen Reibereien und mit ständigem Konfliktpotential zusammenleben können.

Gender – Der Versuch einer Einordnung

Ich bin im Jahr 1982 geboren, ein Kind der 80er und verlebte meine Jugend in den 90ern, geprägt von Bravo und Baywatch, oder in meinem Fall, geprägt von dem White Dwarf und ‘Star Trek The Next Generation’. Ich hatte in meiner Jugend einen Job im produzierenden Gewerbe. Dort spülte ich Kapillarrohre, machte die Qualitätsprüfung von Bauteilen oder schraubte einzelne Komponenten eines Probengebers oder der Optik zusammen. Am Ende kam als Produkt ein chemischer Chromatograf raus.

Ein Mitarbeiter in diesem Unternehmen wollte kein Mann mehr sein. Ich kannte den Herren kaum, ich glaube, er saß oben, in der Softwareentwicklung, während ich unten bei den Arbeitern in der Produktion meinen Dienst verrichtete. Also war der Herr dann eine Dame, kleidete sich entsprechend und wurde, nach allem was ich mitbekam, auch so behandelt. Ob der Herr oder die Dame medizinische Maßnahmen ergriffen hat, um seine Erscheinung über die Garderobe hinweg weiter dem gewünschten Geschlecht anzugleichen, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war das mein erster Kontakt mit dem Thema Transsexualität, wie man in den 90ern noch sagte.

Heute sprechen wir davon, dass man sich sein Gender auswählen kann. Sagen wir zwar nicht so, wir sprechen davon, sich sein Geschlecht aussuchen zu können, meinen aber Gender, wenn es ums Aussuchen geht. Die deutsche Sprache ist da um einen Begriff ärmer als die englische. Im Englischen unterscheidet man zwischen ‘sex’ und ‘gender’. Der erste Begriff meint das biologische Geschlecht, der zweite Begriff meint das, ja was eigentlich? Was bedeutete der immer häufiger gebrauchte Begriff ‘Gender’ und woher kommt er?

Wie wird Gender definiert und woher kommt der Begriff

Nehmen wir einmal eine zeitgenössische Definition und schauen, wie weit wir damit kommen. Auf der Seite Genderdings finden wir folgendes: „„Gender“ ist ein englisches Wort für Geschlecht. Genauer: für das soziale, das gelebte und gefühlte Geschlecht, im Unterschied zu „sex“, dem bei Geburt aufgrund körperlicher Merkmale zugewiesenen Geschlecht.“

Dass das Englische hier zwei Begriffe hat, wussten wir ja schon. Neu ist jetzt, dass Gender das soziale, gelebte und gefühlte Geschlecht meint. Alternativ kann man auch von Geschlechtsidentität sprechen, wie wir weiter unten auf der Seite finden. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang dann immer schnell ergibt, ist, wie viele Geschlechter oder Geschlechtsidentitäten gibt es denn? Wir erfahren, viele, sehr viele, auf jeden Fall mehr als zwei und vielleicht so viele wie es Menschen gibt. Wir kommen später nochmal auf die Geschlechtsidentität und ihre Anzahl.

Aber woher kommt der Begriff Gender denn nun? Im Englischen, so habe ich es noch gelernt, steht Gender seit Jahrzehnten nur für das grammatikalische Geschlecht von Wörtern. Im Deutschen ist der Ausdruck dafür das Genus. Erst 1955 wird der Begriff für die Geschlechtsidentität benutzt. Und zwar von einem Mann namens John Money (er hatte auch die Begriffe Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen eingeführt).

Er meinte damit ein soziales Geschlecht, das von dem biologischen Geschlecht unterschiedliche sein könne. Frei nach Simone de Beauvoir, die schrieb, zu einer Frau wird man gemacht, ging Money davon aus, dass unsere Geschlechtsidentität ein soziales Konstrukt ist. In seiner Vorstellung reduziert die Gesellschaft die Diversität der Geschlechter künstlich oder konstruiert auf lediglich zwei, männlich und weiblich. Weiter war er der Überzeugung, dass man einen Jungen nur durch Erziehung zu einem Jungen macht.

Der Fall Bruce/Brenda oder John/Joan

Money bekam auch eines Tages die Chance, seine Theorie zu testen. Die Familie Reimer kam zu ihm mit ihrem Sohn Bruce. Er hatte eine Vorhautverengung und bei dem Versuch diese zu beheben war der Penis irreparabel beschädigt worden. Money sah seine Chance und empfahl der Familie die Kastration und den rudimentären Aufbau weiblicher Genitalien und die Erziehung von Bruce als Brenda, also als Mädchen. Wichtig dabei sei, dass Bruce/Brenda niemals erfahren dürfe, dass er eigentlich, zumindest biologisch, einmal ein Junge gewesen ist.

Bruce bekam ab dem 12. Lebensjahr weibliche Hormone. Interessant war auch, dass Bruce einen Zwillingsbruder hatte. Es wurden auch jährliche Termine vereinbart, in denen Money die Kinder untersuchte und den Fortschritt dokumentierte. Money war eine Koryphäe auf seinem Gebiet und veröffentlichte Arbeiten über seinen erfolgreichen Beweis, dass ein Junge einfach zu einem Mädchen werden konnte, wie zum Beispiel „Transsexualism and Sex Reassignment“ im Jahr 1969.

In der Literatur wurde der Fall als „John/Joan“ berühmt, so nannte Money Bruce/Brenda in seinen Werken. Dafür war nur notwendig, dass man ihn als Mädchen behandelt, die Geschlechtsteile angleicht und ihm Hormone gibt. Diese Erkenntnisse wurden über Jahrzehnte so an den unterschiedlichen Universitäten unterrichtet und sind die Basis für die heutigen Forderungen, die unter anderem in Deutschen Selbstbestimmungsgesetz Eingang gefunden haben.

Aber was wurde tatsächlich aus Bruce? Erst 1997 wurde in „Archives of Adolescent and Pediatric Medicine“ bekannt, dass das Experiment gescheitert war. Brenda benahm sich nie wie ein Mädchen, sie interessierte sich nicht für Puppen und Schmuck, sondern für das Spielzeug ihres Bruders, Autos und Waffen. Sie tobte und raufte und wollte nur Hosen tragen. Sie wollte auch nie im Sitzen urinieren. Erst mit 14 fand sie heraus, dass sie einmal ein Junge war und machte daraufhin die Geschlechtsumwandlung rückgängig.

Es wurde auch bekannt, warum die Kinder nie zu den Terminen zur Untersuchung in die Johns Hopkins Gender Identity Clinic zu Dr. Money fahren wollten. Er hatte die beiden über Jahre hinweg sexuell missbraucht. Money vertrat auch andere krude Ideen, um freundlich zu bleiben, wie die „sexuelle Schulung und Erziehung von Kindern“. Ich gehe an der Stelle nicht genauer darauf ein, was er damit konkret meinte. Der Bruder von Bruce/Brenda starb 2002 an einer Überdosis Medikamenten und Bruce/Brenda nahm sich im Jahr 2004 das Leben. Seine Mutter sprach davon, dass ohne John Money und sein gescheitertes Experiment ihr Sohn noch am Leben wäre.

Gender vs Geschlecht

Der Ursprung des Wortes Gender und der Idee, man könne einfach sein soziales Geschlecht wechseln, geht also auf eine, gelinde gesagt, dubiose Figur, John Money, und ein gescheitertes Experiment zurück. Aber machen wir mal weiter bei dem Versuch den Begriff und seine Definition genauer zu verstehen. Gender meint also das soziale Geschlecht oder die Geschlechtsidentität und kann vom biologischen Geschlecht abweichen. Nehmen wir uns kurz die Zeit und rekapitulieren, was das biologische Geschlecht ist und meint.

Lebewesen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, Prokaryonten und Eukaryonten. Eukaryonten haben einen Zellkern, Prokaryonten haben keinen Zellkern. Die Eukaryonten (Pflanzen, Tiere und Pilze) pflanzen sich geschlechtlich oder sexuell fort. Dabei wird die DNA von zwei Organismen kombiniert und es entsteht eine neue einmalige DNA. Ein Teil steuert dabei größere Keimzellen bei, auch Eizellen genannt, und wird als weiblich bezeichnet, und ein anderer Organismus steuert kleinere Keimzellen, oder Samenzellen, bei und wird männlich genannt. Ein anderes Geschlecht gibt es nicht.

Neben dem klar binären biologischen Geschlecht soll also die Geschlechtsidentität abweichen können und alles andere als binär sein. Die Frage, die sich aber an dieser Stelle stellt, ist, wie unterscheidet sich die Geschlechtsidentität von der Identität? Es ist klar, dass es so viele Identitäten gibt, wie es Menschen gibt. Und es ist auch klar, dass ein Teil der Identität die individuelle Sexualität ist. Was ist aber die Geschlechtsidentität? Ist es der Teil der Identität, der sich mit der Sexualität als allem rund um das Thema Geschlecht und Fortpflanzung dreht? Es scheint nicht einfach zu sein.

Genderdings widerspricht sich in dem Begriff Wirrwarr schnell selbst.
An einer Stelle finden wir: „Der Begriff ‚Gender‘ wird … genutzt: Immer dann, wenn es um das soziale Geschlecht und um Geschlechtsidentität … geht.“,
also Gender=Geschlechtsidentität/soziales Geschlecht. Oder Gender=Geschlechtsidentität,
dann finden wir: „Mit dem sozialen Geschlecht sind Geschlechterrollen gemeint.“,
also Gender= Geschlechtsidentität/soziales Geschlecht=Geschlechterrollen oder Gender=Geschlechterrollen,
und dann finden wir: „Geschlechtsidentität ist nicht das gleiche, wie Geschlechterrollen.“,
also Gender= Geschlechtsidentität ≠ Geschlechterrollen= Gender oder Gender≠Gender.

Nehmen wir, um wenigstens weiter machen zu können, trotz all der Verwirrung den Begriff Geschlechtsidentität. Damit Gender als Geschlechtsidentität aber einen Zweck erfüllt, kann sie nicht identisch sein mit der Identität, sonst wäre der Begriff überflüssig. Nehmen wir also an, dass Gender die Geschlechtsidentität als Teil der Identität meint, der alles beinhaltet, was mit Sexualität und Geschlechtlichkeit zu tun hat, ohne diese Begriffe weiter zu beleuchten. So weit würde sich keiner daran stören. Ich denke, es ist offensichtliche, dass jeder Mensch eine individuelle Sexualität hat oder eben seine eigene Geschlechtsidentität bzw. eben Gender.

Freie Wahl bei der Identität?

Jetzt ist aber die Vorstellung, dass man sich seine Geschlechtsidentität frei wählen kann, eng mit dem Begriff Gender verbunden. Grundlage hierfür ist die Theorie von John Money, die im ersten Experiment bereits gescheitert war (zugegeben, Experimente mit einer Grundgesamtheit von N=1 sind nicht sonderlich aussagekräftig). Übertragen wir das Konzept doch mal auf andere Bereich der Identität wie meine Präferenzen bei Essen. Kann ich frei wählen, was ich für Speisen ich mag? Können Sie das, werter Leser? Die einfache Beobachtung des Alltags zeigt, dass man das nicht kann. Jeder mit einem Wunsch nach einer schlanken Figur würde seine Leidenschaft für Schokolade einfach gegen eine Leidenschaft für Gurken tauschen.

Ebenfalls in den 90ern wurde ich so erzogen, dass Homosexualität angeboren ist und wir Menschen so akzeptieren müssen wie sie sind. Eine versuchte Umerziehung von Homosexuellen verstößt gegen die Menschenwürde. Und das war damals und auch heute noch durchaus Thema. Speziell fundamentale Christen sind davon überzeugt, dass man Homosexualität „heilen“ kann. Tatsächlich kann ich nicht wählen, zu welchem Geschlecht ich mich hingezogen fühle. Der Mensch kann auch nicht wählen, welche Merkmale oder Praktiken er sexuell als anregend empfindet und welche nicht. Das alles ist Teil der sexuellen Selbstempfindung und somit auch Teil der Geschlechtsidentität oder Teil von Gender.

Wie ist es aber mit dem Kollegen aus dem produzierenden Gewerbe aus der Anekdote in der Einleitung? Hat er sein Schicksal selbst gewählt? Ich denke nicht. Ich hatte einmal ein Gespräch mit einem Homosexuellen, der anmerkte, dass, wenn er die Wahl hätte, dann hätte er ein normales Leben gewählt. Es ist klar, dass es Menschen gibt, die sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen. Es ist darüber hinaus auch klar, dass es Menschen gibt, die sich mit dem eigenen biologischen Geschlecht unwohl fühlen. Beides bedeutet aber nicht, dass sich jeder sein Geschlecht oder seine sexuelle Präferenz frei wählen kann.

Eine sogenannte Geschlechtsinkongruenz oder Geschlechtsdysphorie muss klar diagnostiziert werden. Nicht jeder Heranwachsende, der in seiner Pubertät ein Unwohlsein gegenüber der eigenen Geschlechtsidentität entwickelt, ist automatisch im falschen Körper. Studien zeigen, dass über 80 % der Jugendlichen im späteren erwachsenen Leben das Unwohlsein ablegen. Ein Großteil davon erweist sich als Homosexuelle. Für Personen mit einer Geschlechtsinkongruenz sind unterschiedliche Behandlungen sinnvoll und hilfreich. Für Personen, deren Ursache für das empfundenen Unwohlsein mit der eigenen Geschlechtsidentität woanders liegt, sind die gleichen Behandlungen jedoch schädlich und gefährlich.

Gender meint also den Teil der Identität, der die eigene Sexualität und die eigene Geschlechtlichkeit beinhaltet. Die Vorstellung, dass man diese frei wählen könne, steht nicht in Übereinkunft, mit allem was wir von Identität wissen und im Alltag erleben. Weiter heißt das aber nicht, dass es keine Geschlechtsinkongruenz gibt, und dass man diese nicht mit z.B. Hormonen behandeln sollte. Nur vor der Behandlung, die irreversible Folgen wie Zeugungsunfähigkeit oder Unfruchtbarkeit haben kann oder einer Operation (deren Fehlerquote je nach Quelle mit 30 % bis 60 % angegeben wird) sollte eine klare psychologische Diagnose stehen, um sicherzustellen, dass die Behandlung auch die Ursache des empfundenen Unwohlseins bekämpft.

Jack Johnson, Mark Aurel und Opfermentalität

Kennen Sie Jack Johnson, den schwarzen Boxer, den der damalige Präsident Trump 2018 begnadigt hat? Er fügte sich nie in die Rolle als Opfer, die die Gesellschaft ihm aufbürden wollte. Johnson war verurteilt worden, weil er eine weiße Frau aus unmoralischen Gründen über eine Staatsgrenze gebracht hatte. Das ist nach dem Mann Act illegal. Johnson dominierte über Jahre das Schwergewichtsboxen und war über 10 Jahre lang unbesiegt. Johnson gilt als einer der einflussreichsten Boxer der Geschichte und das, obwohl er in einer Zeit von massivem Rassismus aufwuchs.

Von 1878 lebte er bis zu seinem Tod bei einem Autounfall 1946. Er war mit einer weißen Frau verheiratet und besaß ein Restaurant und einen Nachtclub und verdiente ein Vermögen durch Werbung.

Ich denke, wir können uns schnell einigen, dass es Anfang des 20ten Jahrhunderts mehr Rassismus in den Vereinigten Staaten gab als 120 Jahre später. Das N-Wort war nicht verpönt und bedeutete die öffentliche Untragbarkeit für jeden Weißen, der es benutzte. Es war die normale Bezeichnung für Afroamerikaner zu dieser Zeit. Man kann Johnson sicher so Manches vorwerfen, aber sicher keine Opfermentalität. Er zählt, nicht nur wegen seiner Erfolge im Boxen, sondern auch wegen seiner unbeugsamen Persönlichkeit nicht nur zu meinen Vorbildern, sondern war auch das Vorbild für Muhammed Ali. Ein weiterer Schwarzer, der sich weigerte, sich in die Opferrolle einzufügen.

Leider ist diese Mentalität im aktuellen Zeitgeist am Aussterben. Stattdessen wird von vielen Angehörigen unterschiedlicher Minderheiten der Opferstatus eingefordert und gepflegt. Es werden veraltetete Konzepte wie Sippenhaft bemüht, um Reparationen für die Sklaverei von Schwarzen zu fordern. Selbst in Deutschland wird immer häufiger unsere Schuld durch den Kolonialismus betont. Rein geschichtlich muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass von allen Kolonialmächten, die in Afrika tätig waren, die Deutschen eher geringen Einfluss hatten.

Auch heute noch Opfer von rassistischen Vorurteilen

Jeder, der sich im Ansatz mit Selbstverbesserung auseinandergesetzt hat, weiß, dass einer der entscheidenden Faktoren das Selbstbild und Selbstvertrauen ist. Durch die ständige Betonung der eigenen Hilflosigkeit und Opferrolle verhindert man durchaus effektiv eine positive Entwicklung. Bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch. Bezogen auf Abstammung und Rasse, oder allgemein Herkunft, existieren tatsächliche Nachteile. Mehrere Untersuchungen haben erwiesen, dass Mitbürger in Deutschland z.B. weniger häufig zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, wenn sie über einen arabisch oder türkischen Namen verfügen. Es gibt aber auch andere Vornamen, die zu einer Ungleichbehandlung führen, siehe Kevinismus.

Es gibt durchaus Erklärungen für dieses Verhalten. Dabei ist aber zu beachten, dass es Erklärungen sind, keine Rechtfertigungen. Die Erklärung, warum jemand ein Verbrechen begangen hat, ist ja auch keine Entlastung, sondern ist als Motiv teil der Beweisführung. Sieht man sich die Leistungen der Schüler mit Migrationshintergrund in den PISA oder arabische Länder in der TIMSS Studie an, wird es verständlicher, woher das Vorurteil kommt. Ob es bei Kevin oder Chantal ähnlich aussieht, entzieht sich meiner Kenntnis.

Markus Aurelius und die Stoa

Auch kein Opfer Markus Aurelius

Vielen ist sicher der Film Gladiator aus dem Jahr 2000 von Ridley Scott bekannt. In einer der ersten Szenen wird Markus Aurelius von seinem Sohn ermordet. Was weit weniger wissen dürfte, ist das besagter Markus Aurelius, eines der einflussreicheren Bücher der Philosophie geschrieben hat, die Metamorphosen. Dabei handelt es sich weniger um ein wirkliches Buch. Die Metamorphosen sind das Tagebuch des römischen Kaisers, in dem er sich mit der Entwicklung seiner Persönlichkeit beschäftigt. Er war Anhänger einer alten Philosophie, der Stoa.

Die Stoa, oder bekannter, der Stoizismus, strebt ein tugendhaftes Leben an. Vereinfacht gesagt empfiehlt der Stoizismus, sich auf das zu konzentrieren, was im eigenen Einflussbereich liegt. Der Spruch „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, dass eine vom anderen zu unterscheiden.“ trifft den Kern des Stoizismus ganz gut. Die Tugenden dieser Philosophie sind Mut, Bescheidenheit, Gerechtigkeit und Weisheit. Viele moderne Therapien und Ansätze zur Selbstverbesserung beruhen auf den Ideen der Stoa.

Was hat das jetzt nun wieder mit der Opfermentalität zu tun, werden Sie jetzt berechtigterweise fragen. Ich antworte mit einem anderen Zitat, diesmal von J.R.R. Tolkien: “I wish it need not have happened in my time,“ said Frodo. „So do I,“ said Gandalf, „and so do all who live to see such times. But that is not for them to decide. All we have to decide is what to do with the time that is given us.”

„Ich wünschte, es hätte nicht zu meiner Zeit geschehen müssen“, sagte Frodo. „Das wünsche ich mir auch“, sagte Gandalf, „und das wünschen sich alle, die solche Zeiten erleben. Aber es ist nicht an ihnen, das zu entscheiden. Wir müssen nur entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns gegeben ist.“

Sinngemäß schreibt Tolkien hier, dass wir uns die Zeit, in der wir leben, nicht aussuchen können, wir können nur versuchen, das Beste daraus zu machen. Das ist auch Inhalt der Stoa. Vieles, was unser Leben beeinflusst, können wir nicht ändern. Das Wetter, als einfaches Beispiel, oder die Reaktion von anderen Menschen auf uns. Eine falsche Interpretation der Stoa ist, dass wir diese Dinge sprichwörtlich stoisch durchstehen sollten. Darum geht es aber nicht. Wir sollten versuchen, unser Verhalten oder unsere Einstellung bezüglich dieser Dinge zu verändern. Das, was wir am besten in unserem Leben beeinflussen können, sind wir selbst.

Die Alternative zur Opfermentalität

Um hier wieder ein Missverständnis zu vermeiden, möchte ich klarstellen, dass ich überzeugt davon bin, dass einem als Schwarzer heute in Ländern wie den USA oder Deutschland immer noch Rassismus begegnet. Und dieser Rassismus hat auch einen wahrnehmbaren Nachteil für reale Menschen. Aber ich bin auch überzeugt davon, dass jeder Mensch mit Nachteilen zu kämpfen hat, die er nicht verändern kann. Wir haben nun die Wahl, wie wir damit umgehen. Finden wir uns mit der Opferrolle ab, in die uns der Zeitgeist zwingen will, oder werden wir zu einem Jack Johnson? Suchen wir im Geist in jedem Moment und in jedem Satz die Diskriminierung oder werden wir zu Menschen, die ihren Charakter entwickeln und sich selbst im Griff haben?

Ein weiter Anhänger der Stoa, Epitetk, formulierte es so: „Jede Person, die dich verärgern kann, wird dein Meister“ und Bruce Lee, ein weiterer Kampfkünstler, formulierte es so: „Bete nicht um ein einfaches Leben, bete um die Kraft ein hartes Leben zu ertragen“. Wir sollten weiter daran arbeiten, Vorurteile abzubauen und besser mit den Unterschieden anderer leben zu können. Wichtiger ist aber für jeden Menschen der Fokus auf die eigene Selbstverbesserung und nicht auf die Stellen, an denen ich noch Opfer bin. Denn wer diese Sucht, wird sie immer finden, auch wenn sie vielleicht gar nicht da sind.

Rassismus und Sklaverei hängen zusammen, aber ganz anders als Sie denken …

Meine Kindheit verlebte ich in einem kleinen Dorf in den Südstaaten der Bundesrepublik. Rassismus war erstmal weniger ein Thema. Meine kindlichen Kontakte zu Menschen einer anderen Ethnie beschränkten sich auf einen Türken in meiner Grundschule, Yakup, einen Italiener in meiner Straße, Mathias, und einen Schwarzen, Chico, in unserem Dorf. Mit Yakup in der Grundschule bestand eine gewisse Irritation. Seine Kleidung war anders und er sprach nur schlecht oder gar nicht deutsch. Mathias war von einem indigenen deutschen Kind nur schwer zu unterscheiden. Bei Chico war der Unterschied für alle sichtbar.

Der dörfliche Störenfried meiner Generation fand dann auch immer die richtigen, also falschen, Beleidigungen. Ich war damals dann etwas naiv irritiert, warum ich die Hautfarbe nicht zum Gegenstand einer Beleidigung machen durfte, wohl aber Größe (du Zwerg), Umfang (Speckwampe) oder geistige Kapazität (Dummkopf). Außerdem war es für mich normal, dass es Schwarze gab und beim täglichen Rollenspielen mit Freunden wählte sich jeder auch ab und an einen Schwarzen aus dem damaligen Cartoon Programm, den er dann mehr oder weniger darstellte, als wir durch Wald und über Felder tobten.

Meine Mutter erklärte mir das Konzept, dass man das nicht mache, einen Schwarzen „Choko-Crossie“ zu nennen. Das sei rassistisch. Ich akzeptierte es und von da an war es tabu, die Hautfarbe oder Herkunft in Beleidigungen einzubauen. Zudem blickte ich zu Chico auf, er war älter, größer und irgendwie cool. Aber was ist denn nun Rassismus?

Der Begriff der Rasse

Als Erstes stolpert man über den Begriff „Rasse“. Dem Zeitgeist entsprechend gibt es keine Rassen beim Menschen. Nun führt uns das aber nicht weiter. Denn es gibt eindeutige phänotypische (äußere) Merkmale, die Menschen unterschiedlicher Abstammung klar kategorisierbar machen. Ein Japaner sieht eben aus wie ein Japaner und nicht wie eine Aborigine (australischer Ureinwohner).

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Verteilung der Laktoseintoleranz weltweit (nmi Portal)

Darüber hinaus gibt es auch klare genetische Unterschiede, die vom Erbgut abhängen. Laktoseintoleranz hat in Europa einen Anteil von ca. 30 % in Asien liegt der Anteil bei ca. 70 %. Also versucht der Begriff „Rasse“ nur eine Bezeichnung für die Kategorie zu finden, in die wir Menschen anhand ihrer offensichtlichen Abstammung zuordnen können.

An anderer Stelle werde ich mich noch mit Pinkers Euphemismus Tretmühle beschäftigen. Wir können also den Begriff der „Rasse“ ersetzen durch Ethnie oder Volk oder Abstammungsgemeinschaft oder andere Begriffe. Der Tatsache, dass eine klare Benennung der Kategorie notwendig ist, entkommen wir so nicht. Um dem Begriff des „Rassismus“ treu zu bleiben, nutze ich im Weiteren auch den Begriff „Rasse“.

Das Merkmal der “Rasse” (meist die Haut- und Haarfarbe sowie der Knorpel- und Knochenwuchs im Gesicht) wird bei Rassismus herangezogen, um Zugehörige einer anderen Rasse herabzuwerten. Dazu werden unterschiedlichen Rassen unterschiedliche Eigenschaften quasi genetisch zugeordnet, denen das einzelne Individuum dann nicht entkommen kann. 

Moderne Definition von Rassismus

In der jüngsten Zeit hat sich in diese Definition aber der postmoderne, neomarxistische Zeitgeist eingeschlichen. Entscheidend für Rassismus ist neben der ethnischen Herkunft, die Stellung der Gruppierung in der Gesellschaft. Nur gegen Minderheiten kann Rassismus existieren. Die Definition der Amadeu Antonio Stiftung sieht zum Beispiel vor, dass nur nicht-weiße Menschen oder offensichtlich nicht-Deutsche Menschen Opfer von Rassismus werden können. Eine steile These. Nach dieser Definition wird es schwierig, rassistische Ereignisse in der jüngeren deutschen Vergangenheit auch als Rassismus einzuordnen.

Viele Juden im dritten Reich sahen sich als Deutsche und waren sogar ausgemachte Patrioten und teilweise Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg. Das war unter anderen auch ein Grund für so manchen, Deutschland nicht zu verlassen. Es geht bei dieser modernen Definition darum, weg von individuellen Rechten zu kommen, die im Grundgesetz schon verankert sind, hin zu Rechten für Gruppen und Identitätspolitik. Dabei ist die Debatte stark von den USA beeinflusst. Man liest selbst bei der deutschen Antidiskriminierungsstelle immer von PoC oder People of Colour. Und in den USA wird der heutige Rassismus gegen Schwarze mit der Sklaverei begründet.

Aber was hat speziell die Sklaverei mit Rassismus zu tun? Nun, der offensichtliche oder zumindest scheinbar offensichtliche Zusammenhang ist der, dass die weißen Menschen die, als untergeordnet wahrgenommenen, schwarzen Menschen versklavt haben. Also der Grund für die Versklavung, oder einer der Hauptgründe, war der Rassismus.

Überblick Sklaverei

Gehen wir kurz ein bisschen genauer auf die Sklaverei ein, bevor wir wieder auf den Zusammenhang mit Rassismus zurückkommen. Seit Anbeginn der Zivilisation waren die Gesellschaften stark hierarchisch organisiert. An der Spitze stand ein Häuptling, König oder Kaiser, danach folgten meist die Jäger, Krieger oder Ritter, später noch anderes Stände, wie Handwerker, Händler, Bauern und Bürger und ganz unten fand man die Sklaven. Dabei spielte Hautfarbe keine Rolle. Die Mobilität der damaligen Bevölkerung war so gering, dass eine Migration über die“Hautfarbengrenze“ hinaus die absolute Ausnahme darstellte.

Schwarz versklavte Schwarz, Weiß versklavte Weiß und so weiter. Der Begriff Sklave leitet sich tatsächlich vom Volk der Slaven ab. Es gab auch wenig bis keine Versuche der Philosophen, Propheten oder Priester, die Sklaverei in irgendeiner Form moralisch zu rechtfertigen, außer Aristoteles vielleicht. Es war einfach normal, dass Menschen nicht gleich waren und eben einige ganz unten und andere ganz oben waren. Ein Auf- oder Abstieg war möglich, jedoch schwierig und sehr selten. Vor allem der Aufstieg, der Abstieg, auch zum Sklaven, war leichter. Die Vorstellung „Ich habe gewonnen, könnte dich jetzt töten, tue es aber nicht, und deswegen gehörst du jetzt mir“, entbehrt ja auch nicht einer gewissen barbarischen Logik.

Die ersten Versuche, die Sklaverei zu rechtfertigen, stammen aus dem Süden der Vereinigten Staaten. Ab dem 16ten Jahrhundert wurden Sklaven aus Westafrika in die Amerikas verschifft. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es keinesfalls die Weißen waren, die afrikanischen Boden betraten, dort Sklaven jagten, und diese dann verschifften. Es dauerte noch bis ins 19te Jahrhundert, bis Weiße Afrika sicher betreten konnten, ohne binnen wenigen Wochen an Malaria oder anderen Tropenkrankheiten einzugehen.

Vielmehr gingen die Schiffe weit vor der Küste vor Anker, da es keine schiffbaren Häfen in Westafrika gab, und setzten in Booten über. Am Strand fand dann der Handel mit den ebenfalls schwarzen Händler statt. Viele afrikanische Völker bauten ihren Wohlstand auf der Sklavenjagd und dem Sklavenhandel auf, wie z.B. das Königreich Dahomey oder Benin. Von den in die Amerikas verschifften Sklaven gingen knapp 40 % nach Brasilien, 35 % auf die karibischen Inseln, 18 % nach Mittelamerika und der kleinste Teil mit knapp 10 % nach Nordamerika auf die Plantagen der Südstaaten. Insgesamt geht man von ca. 12 Mio. Sklaven aus, die auf diesem Wege verschifft wurden. Der kleinste Teil davon in die Südstaaten.

Wenn es um Rassismus gegen Schwarze geht, sprechen wir aber nicht über die Regionen, die den meisten Anteil der verschleppten Westafrikaner abbekamen, wie Brasilien oder die karibischen Inseln. Wir sprechen immer nur von den Südstaaten der USA, die doch nur 10 % der Sklaven erhielten, also in Summe wahrscheinlich etwas mehr als 1 Mio. Menschen über einen Zeitraum von über 200 Jahren. Warum ist das so?

Zusammenhang Sklaverei und Rassismus

Thomas Sowell liefert eine Erklärung in seinem Buch „Black Rednecks and White Liberals“. Die Sklaven in den Südstaaten trafen ab 1776 auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Diese besagt klar: “all men are created equal”, alle Menschen sind gleich erschaffen. Keine der anderen Nationen, die westafrikanische Sklaven aufnahmen, war eine Demokratie oder gestand seinen Einwohner individuelle Rechte in einem solchen Ausmaß zu. Es entstand also in den USA zum ersten Mal in der Geschichte die Situation, die es notwendig machte, die Sklaverei moralisch zu begründen.

Die einzige Lösung Sklaverei und “alle Menschen sind gleich” unter einen Hut zu bringen war: Sklaven (in den USA fast ausschließlich Schwarze) sind keine wirklichen Menschen. Damit war ein wichtiger Baustein für den biologischen Rassismus gelegt. Die Vorstellung, es gäbe echte Menschen und niedere Rassen. Aufbauend auf dieser Grundlage wurden diese Vorstellungen Anfang des 20. Jahrhunderts weiter verfolgt und führten zu noch mehr Gräuel.

Somit ist also nicht der Rassismus die Ursache für die Sklaverei in den USA, sondern, wenn dann, eher umgekehrt. Erst das Aufeinandertreffen der jahrtausendealten Unsitte der Sklaverei und modernen Menschenrechten in ihren ersten Zügen gebar das Ungetüm Rassismus.

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Wie sieht es heute mit der Sklaverei aus? Leider schlimm. Heute gehen wir davon aus, dass es weltweit noch 40 Mio. Menschen gibt, die in Sklaverei leben, davon ca. 18 % in Subsahara Afrika (Schwarze versklaven Schwarze). Menschenhandel blüht. Der Sklavenmarkt von heute findet allerdings nicht mehr im Sand der westafrikanischen Strände statt, sondern oft im Netz. Speziell Kinder sind davon betroffen. Als Sexarbeiter oder Kindersoldaten müssen sie auch heute noch die Schrecken der Sklaverei ertragen.

Wir sollten uns also weniger darauf konzentrieren, den Westen für seine Gräuel zur Verantwortung zu zeihen, denn es war der Westen, allen voran Großbritannien, die dieser Unsitte zumindest im Westen ein Ende bereitet hatte. Wir sollten uns stattdessen auf die Gegenden konzentrieren, in denen noch heute Menschen geraubt und als Sklaven gehalten werden. Und, um es mit Morgan Freeman zu halten, wir sollten aufhören über Rassismus zu reden und davon absehen eine Opfermentalität zu kultivieren.

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