Eine typische Situation aus dem Alltag: Es ist morgens ca. 9:00 Uhr und man trifft sich in der Kaffeeküche. Es werden unverfängliche Themen diskutiert und von den individuellen Erlebnissen erzählt. Dabei kennt bestimmt jeder einen gewissen Typ Kollegen. Dieser Typ setzt gerne einen darauf und „toppt“ die eigenen Erzählungen. Dabei beansprucht er, bewusst oder unbewusst, die Privilegien einer bestimmten Kategorie ohne die notwendigen Bedingungen zu erfüllen. Sicher denkt jetzt der ein oder andere meiner Leser: Schön! Was meint der Autor denn nun schon wieder damit? Lassen Sie mich das gerne erläutern:
Kategorie zuerst
Menschen lassen sich entsprechend ihrer Eigenschaften, Fähigkeiten, Verhalten oder Interessen in Kategorien einteilen. Z.B. in die Kategorie „Groß“ oder „Klein“, in die Kategorie „Fußballer“ oder „Boxer“ oder in die Kategorie „Klaustrophober“ oder „Neurotiker“. Es ist nicht unüblich, dass sich Menschen im Gespräch an einer passenden oder auch unpassenden Stelle in eine beliebige Kategorie einordnen. „Ich bin übrigens auch Fußballer“, könnte so ein Satz lauten. Dann läuft bei den Zuhörern ein verständlicher Prozess ab. Jeder hat, aus Erfahrung oder auf Basis von Wissen, eine Vorstellung davon, welche Bedingungen die Zugehörigkeit einer Person zu einer Kategorie mit sich bringt. Eine solche Annahme bzgl. des Fußballers könnte unter anderem sein:

- Die Person kann Fußballspielen
- Die Person ist oder war in einem Verein aktiv
- Die Person spielt immer noch in regelmäßigen Abständen Fußball
Dann Bedingung und Privileg
Sollte sich später herausstellen, dass die Person keine der Bedingungen erfüllt, werden die wenigsten Menschen die Person damit konfrontieren. Die meisten sehen wenig Nutzen in direktem Konflikt. Aber so gut wie alle Zuhörer der ursprünglichen Behauptung werden, wenn die Tatsache offenbar wird, dass die Person keine der Bedingungen erfüllt, im Gedächtnis speichern, dass die Person, gelinde gesagt, nur ein Schwätzer ist. Mit der Zugehörigkeit zu jeder Kategorie gehen gewisse Privilegien einher. Einem Fußballer wird mehr Aufmerksamkeit und seinen Aussagen mehr Gewicht geschenkt, bei einem Disput zum Thema Fußball. Mit der Behauptung einer gewissen Kategorie anzugehören, fordern Personen also, direkt oder indirekt, die Privilegien ein, die mit der Erfüllung der Bedingungen einhergehen.
„Sie können mir ruhig glauben, ich bin Programmierer.“ Hat nur eine Bedeutung oder seine Aussagen haben nur dann ein Privileg, wenn er tatsächlich die Bedingungen der Kategorie erfüllt.
Wenn es zu einer Kategorie keine Bedingungen gibt, außer der Aussage der Zugehörigkeit, dann erfüllt die Kategorie keinen Zweck, außer, scheinbar zumindest, die Privilegien für sich zu beanspruchen. Beraubt man eine Kategorie ihrer überprüfbaren Bedingungen, so verliert sie auch alle Privilegien und damit die Relevanz der Erwähnung.
Blotz
Nehmen wir z.B. an, dass es die Kategorie „Blotz“ gibt. Eine Person muss keine Bedingungen erfüllen, um „Blotz“ zu sein, außer zu behaupten, sie wäre „Blotz“. Niemand würde der Aussage „ich bin übrigens Blotz“ Beachtung schenken. Sie hat keinen Wert. Die Zugehörigkeit zu einer Kategorie und das Wissen über die Zugehörigkeit einer Person zu einer Kategorie hat für Menschen einen Wert. „Hol Alex, der ist Ersthelfer“, hat einen klaren Mehrwert. Allerdings nur dann, wenn Alex auch wirklich die Bedingungen der Kategorie erfüllt.
„Blotz“ hat keinen Mehrwert. Die Aussage ist sinnentleert, da damit nicht die Behauptung einhergeht, man würde diese oder jene Bedingung erfüllen.
Wohin will ich damit eigentlich?

Mann und Frau
Wenn ich an die Kategorie „Frau“ oder „Mann“ keine Bedingung mehr knüpfe, außer, die Behauptung dieser Kategorie anzugehören, dann verliert das Wort bzw. die Kategorie jegliche Bedeutung. Wenn jeder eine Frau ist, der sich dazu erklärt, dann hat „Frau sein“ keinen Inhalt mehr. “Frauen und Kinder zuerst” wäre Sinn entleert. Jeder in einer ausreichenden Notsituation wäre sofort eine Frau.
An die Kategorie „Frau“ und „Mann“ Bedingungen zu knüpfen, ist notwendig. In der Vergangenheit waren diese Bedingungen so einfach, dass wir sie bereits 3-jährigen Kindern beibringen konnten.
Aktuell kann man aber den Versuch beobachten, die Zuordnung zu der Kategorie „Frau“ oder „Mann“ bedingungslos zu gestalten, ohne gleichzeitig auf die Privilegien zu verzichten. Die Aussage „Transfrauen sind Frauen“ zielt genau darauf ab, alle Privilegien, die Frauen genießen, auch Transfrauen zugänglich zu machen.
Die Bedingung in der Vergangenheit war, dass man weiblich sein musste, um eine Frau zu sein. Jetzt könnte man anmerken, dass ich das Problem der klaren Bedingung nur verschiebe, denn welche Bedingung muss denn für die Kategorie „weiblich“ erfüllt sein. Da sind wir wieder bei den 3-jährigen Kindern. Man erklärt es am Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gewisser Geschlechtsmerkmale. Genauer, der primären Geschlechtsmerkmale. Da es aber sein kann, dass Menschen über gewisse primäre Geschlechtsmerkmale verfügen, aber dennoch nicht klar männlich oder weiblich sind, muss man etwas genauer werden. Aktuell wird das an den Gameten festgemacht, also ob ein Organismus Eizellen oder Samenzellen produziert, bzw. primär auf die Produktion des Einen oder Anderen ausgelegt ist.
Tatsächlich basieren die Privilegien einer Kategorie auf den Bedingungen. Einem Fußballer glaubt man eher beim Thema Fußball, weil er das Fußballspielen seit Jahren betreibt und verfolgt. Eine Frau genießt gewisse Privilegien in der Gesellschaft, weil sie gewisse Eigenschaften hat. Der instinktive Ausruf “Frauen und Kinder zuerst”, also der Ausdruck, dass besonders Frauen und Kinder schutzbedürftig oder überlebenswichtig sind, liegt die Tatsache der Fortpflanzung zugrunde. In einem Stamm kann ein Mann zur Not alle Frauen schwängern, aber eine Frau kann nicht gleichzeitig die Kinder aller Männer austragen. Für das biologische Überleben einer Gruppe sind also Frauen und Kinder entscheidend und Männer entbehrlich.

Wenn sich nun aber Männer als Frauen erklären dürfen, so genießen sie Privilegien, ohne dafür eine logische Grundlage zu haben. Frauen und Kinder sind besonders schutzbedürftig. Dieser Bedarf begründet sich unter anderem auch dadurch, dass Frauen und Kinder Männern körperlich unterlegen sind. Zusätzlich sind die aggressivsten und damit für andere gefährlichsten Menschen in einer Gruppe oder Gesellschaft, Männer. Auch im Bereich sexueller Gewalt sind Männer als Tätergruppe bezogen auf ihren Bevölkerungsanteil stark überrepräsentiert.
Die Privilegien, vor allem der besondere Bedarf an Schutz, sind also begründet durch empirisch beobachtbare Tatsachen. Aktuell zwingt uns der Zeitgeist aber dazu, die subjektiven Emotionen einzelner oder sehr kleiner Minderheiten höher zu bewerten, als die durch Beobachtung begründete Realität.
Es ist wichtig, dass wir, als Gesellschaft, es auch Minderheiten ermöglichen, ein Leben entsprechend ihrer Empfindungen zu führen. Wir gehen aber zu weit, wenn wir Kategorien und Privilegien, die empirisch begründet sind, dem subjektiven Empfinden Weniger opfern. In einer freien, westlichen Gesellschaft darf kein Mensch erwarten, dass seine Empfindungen über sich oder die Realität, beobachtbare Tatsachen und darauf begründete Regelungen für alle Menschen außer Kraft setzen. Eine konsequente Anwendung dieses Prinzips, also die subjektive Empfindung höher zu werten als objektive Regelungen, macht ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Individuen in einer Gesellschaft unmöglich.
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