Was bedeutet es eigentlich, wenn man sagt: „Das lässt sich wissenschaftlich nicht bestätigen.“ Oder „Eine Wirkung ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen.“
Viele denken dann sowas, wie: „Der schon wieder mit seiner Wissenschaft …“, oder „Neben Wissenschaft gibt es aber auch noch andere Dinge, und die kann man eben nicht so einfach erklären…“ oder ähnliches. Dem zugrunde liegt wahrscheinlich ein, durch unseren Zeitgeist, getrübter Blick auf die Wissenschaft oder was die Wissenschaft eigentlich ist.
Wissenschaft ist eine Methode
Im weitesten Sinne ist die Wissenschaft eine Methodik, wie ich aus der Gestaltung meiner Beobachtung der Natur oder eben der Dinge, die passieren, neues, verlässliches Wissen ableiten kann. Es ist kein System, das Behauptungen aufstellt, sondern eine Methode, wie man möglichst sicheres Wissen gewinnen kann.
Oft geht es im Diskurs z.B. um medizinische Sachverhalte, die wissenschaftlich nicht belegt sind oder nicht belegt werden können. Aber was heißt das?
Angenommen Karl hat Kopfschmerzen und wir geben ihm eine Tablette. Eine Stunde darauf sind die Kopfschmerzen weg. Also, ist doch klar, dass die Tablette geholfen hat. Aber was wäre geschehen, hätten wir Karl die Tablette nicht gegeben?
So verzichten wir beim nächsten Mal, wenn Karl Kopfschmerzen hat, auf die Tablette. Wieder sind die Kopfschmerzen eine Stunde später weg. Dann hat die Tablette doch nicht geholfen. Aber woher wissen wir, dass die Schmerzen in beiden Fällen den gleichen Auslöser oder, ohne Tablette, die gleiche Dauer gehabt hätten? Ganz einfach, wir wissen es nicht und können es nicht wissen.
Kausalität vs. Korrelation
Der Zusammenhang zweier Ereignisse, die sich gegenseitig bedingen, nennt, man Kausalität. Das eine Ereignis, war der Auslöser (die Causa oder englisch the cause) für das andere Ereignis. Neben diesem Zusammenhang gibt es aber auch die bloße Gleichzeitigkeit (Korrelation) zweier Ereignisse, die sich aber nicht unbedingt gegenseitig bedingen (z.B. ‚Frauen, die kurze Röcke‘ tragen und ‚Eis essen‘). Ein drittes Ereignis kann verantwortlich sein für die beiden anderen, gleichzeitigen Ereignisse (Im Falle der Röcke und des Eisessens ist es wohl der Sommer bzw. die Sonne oder noch genauer, hohe Temperaturen).
Was kann man nun aber tun, um herauszufinden, ob die Tabletten, die wir Karl gegeben haben, wirklich helfen? In der wissenschaftlichen Forschung entfernt man sich hier von einem Individuum (oder der Anekdote, also dem, was ein Einzelner erzählen würde) und betrachtet eine möglichst große Gruppe. Statt Karl also bei Kopfschmerzen eine Tablette zu geben, suchen wir uns 1.000 oder noch besser 10.000 Menschen mit Kopfschmerzen und geben diesen eben die zu untersuchenden Tabletten. Je mehr, desto besser.
Studiendesign
Jetzt gibt es aber einen Effekt, den jeder schon mal gehört hat: Placebo. In den Tabletten, die wir untersuchen wollen, ist tatsächlich ein Schmerzmittel enthalten, in einer Menge, von der wir vermuten, dass es bei Schmerzen helfen könnte. Wenn ich 10.000 Menschen bei Kopfschmerzen jetzt aber ein TicTac gebe oder eine, wie eine echte Tablette aussehende, Zuckerkugel, dann werden zwischen 20 % und 30 % berichten, dass Ihre Kopfschmerzen verschwunden sind. Das nennt man den Placeboeffekt.
Aber wie finden wir jetzt heraus, ob unsere Tablette besser hilft als ein TicTac? Dafür nutzen wir eine Kontrollgruppe. Wir brauchen also zwei möglichst große Gruppen. Der einen geben wir unsere, zu testende Tablette, der anderen geben wir die Zuckerkugel ohne Wirkstoff. Jetzt gibt es aber noch andere Effekte, die sich negativ auf unsere Untersuchung auswirken könnten.
Wenn der Hersteller der Tablette die Ergebnisse auswertet, dann hat er ein bewusstes oder unterbewusstes Interesse, dass seine Tablette auch wirklich hilft. Das kann die Auswertung verfälschen. Auch kann das Wissen, dass ich als Testperson nur eine Zuckerkugel bekommen habe, die Wirkung beeinflussen. Solche Effekte wollen wir minimieren oder noch besser ganz ausschließen.
Der Goldstandard: Die Doppel-blind Studie
In der medizinischen Forschung spricht man dann von einer Doppel-blind Studie. Das bedeutet, dass die Einteilung der Testpersonen in Test- und Placebogruppe (also wer das echte und wer das wirkungslose Medikament bekommt) zufällig erfolgt. Die Testpersonen und die Personen, die die Tabletten verabreichen, wissen nicht, ob es ein Placebo ist oder nicht. Erst die Personen, die die Ergebnisse (also ob die Kopfschmerzen verschwunden sind oder nicht) auswerten, wissen, wer in welcher Gruppe war und wer welches Medikament bekommen hat.
Damit man eine Tablette gegen Kopfschmerzen als wirksam bezeichnen kann, muss der Anteil der Personen, die nach einer Stunde keine Kopfschmerzen mehr hatte, in der Testgruppe (die haben das Medikament mit dem vermuteten Wirkstoff bekommen) größer (in der Wissenschaft spricht man von signifikant größer) sein, als in der Placebogruppe.
In unserem hypothetischen Test haben wir also 5.000 Personen ein Placebo und 5.000 Personen Karls Kopfschmerztablette gegeben. Weder der verabreichende Arzt noch der Testteilnehmer wusste dabei, welche Tablette er vergibt bzw. bekommt. Und die Testteilnehmer haben alle darüber berichtet, ob, und nach welcher Zeit die Kopfschmerzen verschwunden sind.
Wenn unsere Tablette jetzt bei z.B. 67 % zu einem Verschwinden der Schmerzen führte und in der Placebogruppe nur bei 24 % der Fälle von einem Verschwinden der Kopfschmerzen gesprochen wurde, dann haben wir ein wirksames Mittel. Sollte es aber bei 27 % in der Testgruppe und 24 % in der Placebogruppe liegen, dann konnten wir eine Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachweisen. Und genau das meint der eingangs erwähnte Sprecher, wenn er sagt: „Da ist eine Wirkung wissenschaftlich nicht nachgewiesen.“
Es ist also nicht so, dass die Wissenschaftler alles mit ihren Theorien erklären müssen, sondern, speziell in der Medizin, so, dass man versucht aus Beobachtung Wissen zu generieren. Wir wissen z.B. immer noch nicht, wie eine Narkose funktioniert. Nur dass sie funktioniert und wie wir das Narkosemittel dosieren müssen.
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